Großbritannien: Lineares Fernsehens verliert stark an Reichweite
Neue Zahlen zu Video- und Audio-Nutzung in "Media Nations" Studie der Ofcom
London (epd).

Die wöchentliche Reichweite des linearen Fernsehens ist in Großbritannien im Jahresvergleich stark gesunken. Der Anteil der Zuschauer, die jede Woche einschalten, ging von 83 Prozent im Jahr 2021 auf 79 Prozent im vergangenen Jahr zurück, wie die in London ansässige Medienaufsichtsbehörde Ofcom am 3. August mitteilte. Die Daten sind Teil der sechsten jährlichen „Media Nations UK“-Studie, die am selben Tag veröffentlicht wurde.

Der Rückgang ist der stärkste, seit die Ofcom die „Media Nations“ Studie regelmäßig vorlegt. Laut Studie ist er auch darauf zurückzuführen, dass die über 64-Jährigen weniger fernsehen als noch 2021: In diesem Alterssegment lag der Rückgang bei acht Prozent. Bei den Zuschauern im Alter zwischen vier und 34 Jahren nahm die Fernsehnutzung im Jahresvergleich sogar um 21 Prozent ab. Die Zahl der Sendungen, die ein Massenpublikum - also mehr als vier Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer - erreichten, halbierte sich seit 2014. Damals konnten noch 2.490 Sendungen solche Werte erzielen, vergangenes Jahr waren es nur noch 1.184. Die Zahl der Sendungen, die mehr als sechs Millionen Zuschauer erreichte, nahm im selben Zeitraum um 82 Prozent ab. So schalteten voriges Jahr nur bei 213 Sendungen mehr als sechs Millionen Menschen ein, 2014 waren es noch 1.172.

Die meistgesehene Sendung war 2022 mit durchschnittlich 16,1 Millionen Zuschauern das Viertelfinalspiel der englischen Nationalmannschaft gegen Frankreich bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Qatar bei ITV1. Durchschnittlich 13,2 Millionen Menschen schalteten beim zweiten Teil der BBC One Übertragung von Queen Elizabeths Beerdigung ein. Im Schnitt 12 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen die Krönung von King Charles im Mai dieses Jahres.

Die durchschnittliche Nutzungsdauer von Fernseh- und Video-Angeboten über alle Geräte hinweg lag im vergangenen Jahr bei vier Stunden und 28 Minuten pro Person, was einem Rückgang von rund 12 Prozent gegenüber 2021 entspricht. Damals hatten Restriktionen wegen der Corona-Pandemie noch für erhöhte Nutzungszeiten gesorgt. 120 Minuten Nutzung entfielen auf lineares Fernsehen, 46 Minuten auf Video-Sharing-Plattformen, 37 Minuten auf Abo- und Werbe-basierte Streaming-Dienste und eine Minute auf physische Medien wie DVDs, Blu-rays und VHS-Kassetten. Mit 361 Minuten war die Nutzungsdauer von Fernsehen und Video bei Menschen über 75 Jahren am längsten, bei den 16- bis 34-Jährigen lag sie im Schnitt täglich bei 226 Minuten. Die meisten Zuschauer gemessen an der wöchentlichen Reichweite schalteten bei BBC One ein.

Ältere Zuschauer verwenden der Studie zufolge zunehmend Streaming-Services. Disney+ konnte vor allem unter den Internetnutzern in der Gruppe der über 64-Jährigen neue Kunden gewinnen, die Nutzerzahlen stiegen von sieben Prozent im Jahr 2022 auf zwölf Prozent in diesem Jahr.

Insgesamt gaben zwei Drittel (66 Prozent) der Haushalte an, sie hätten im ersten Quartal dieses Jahres ein Abonnement eines Streaming-Services gehabt. Im ersten Quartal 2022 waren es noch 68 Prozent, der bisherige Spitzenwert.

Der Streaming-Markt generierte vergangenes Jahr rund 3,3 Milliarden Pfund (3,8 Milliarden Euro), das war ein Plus von 21,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zurückzuführen sei das auf steigende Preise und ein allgemeines Wachstum bei Abonnements. Insgesamt 59 Prozent der Haushalte gaben an, dass sie im ersten Quartal dieses Jahres Netflix abonniert hatten. Amazon Prime Video erreichte 45 Prozent der Haushalte, Disney+ 25 Prozent. Das Schlusslicht bildete Apple TV+ mit sieben Prozent.

Youtube und Facebook sind noch immer die größten Social-Video-Plattformen im Vereinigten Königreich. Sie erreichten im ersten Quartal dieses Jahres jeweils 91 Prozent der Internetnutzer ab 15 Jahren. Die Nutzung von Tiktok blieb mit 58 Minuten täglich in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen hoch, hat sich bei Kindern aber verlangsamt. Im März dieses Jahres haben 15- bis 24-Jährige außerdem 52 Minuten täglich mit Snapchat verbracht, auf Youtube entfielen 48 Minuten am Tag.

Verbraucherinnen und Verbraucher haben 2022 beinahe zwei Milliarden Pfund für aufgezeichnete Musik ausgegeben, wobei Abonnements bei Streaming-Anbietern wie Spotify und Apple Music für 83 Prozent dieses Umsatzes verantwortlich sind. Der Werbemarkt bei Podcasts wuchs um 41 Prozent, insgesamt wurde für Werbung bei digitalen Radio-Angeboten 13 Prozent mehr ausgegeben. Der Werbeumsatz im kommerziellen Radio stieg um drei Prozent.

Ein Fünftel der Erwachsenen in Großbritannien hört jede Woche Podcasts. Die meisten Nutzer gaben an, dass Podcasts etwas bieten, was das herkömmliche Radio nicht hat. Das Hauptargument für die Nutzung sei aber, dass man Podcasts hören kann, wann es einem passt.

Das Live-Radio ist weiterhin das beliebteste Audio-Angebot. 88 Prozent der Erwachsenen schalten durchschnittlich 20 Stunden pro Woche ein, während die unter 35-Jährigen eher zum Musikstreaming tendieren. Die Reichweite dieser Angebote hat sich laut Studie in den vergangenen beiden Jahren bei 47 Prozent eingependelt.

Aus epd medien 33/23 vom 18. August 2023

cph