Das geplante Europäische Gesetz für Medienfreiheit rückt näher: Am 3. Oktober stimmte das EU-Parlament seine Position für den European Media Freedom Act (EMFA) ab. Für den Standpunkt votierten 448 Abgeordnete, es gab 102 Gegenstimmen und 75 Enthaltungen. Die EU-Abgeordnete Sabine Verheyen (CDU) sprach von einem „Meilenstein für den Schutz der Medienvielfalt sowie der Journalisten“. Durch die Abstimmung im Parlament können nun die Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat und der EU-Kommission über den endgültigen Gesetzestext beginnen.
Rat und Parlament haben insbesondere beim Einsatz von Spähsoftware gegen Journalisten unterschiedliche Positionen. Die EU-Kommission hatte den EMFA im September 2022 vorgeschlagen, um Medienfreiheit, Pluralismus und Unabhängigkeit der Medien in der EU zu garantieren. Der Gesetzentwurf verbietet es Behörden, in redaktionelle Entscheidungen einzugreifen. Eine unabhängige Medienaufsichtsbehörde soll die Einhaltung der neuen Regeln überwachen. Hintergrund sind Einschränkungen der Pressefreiheit, wie sie etwa in Ungarn und Polen vorgenommen wurden (epd 37, 38, 39/22).
Nicht alle Länder - darunter auch Deutschland - stehen voll hinter dem Entwurf der Kommission. Einige Kritiker sehen die Pressefreiheit mit dem Vorschlag sogar gefährdet, etwa durch die geplante zentrale EU-Medienaufsichtsbehörde (epd 39/23). Die EU-Abgeordneten stimmten am 3. Oktober dafür, dass diese Aufsichtsbehörde politisch, rechtlich und funktional unabhängig von der Kommission sein müsse und von Vertretern aus der Medienbranche und der Zivilgesellschaft beraten werden solle.
Auch um den Schutz von Journalisten wird gerungen. Im Gesetzentwurf des Rates ist vorgesehen, dass Spionagesoftware gegen Journalisten eingesetzt werden darf, wenn dies dem Schutz der „nationalen Sicherheit“ dient (epd 26/23). Das EU-Parlament will den Einsatz solcher Spähprogramme strenger regeln. Nach dem Willen der Abgeordneten dürfen diese nur als letztes Mittel und in Einzelfällen eingesetzt werden, wenn eine unabhängige Justizbehörde dies im Zuge von Ermittlungen zu schweren Verbrechen wie Terrorismus oder Menschenhandel anordnet.
Um willkürliche Entscheidungen großer Internetplattformen entgegenzuwirken, fordert das EU-Parlament zudem ein „Verfahren, mit dem Anordnungen zur Sperrung von Inhalten verwaltet werden“. Demnach soll Medien mitgeteilt werden, dass eine Plattform beabsichtigt, ihre Inhalte zu löschen oder einzuschränken. Sie sollen dann 24 Stunden Zeit haben, auf diese Mitteilung zu reagieren. Ist die Plattform nach Ablauf dieser Frist immer noch der Meinung, dass der Medieninhalt nicht mit ihren Bedingungen vereinbar ist, kann sie laut Parlamentsvorschlag „mit der Löschung, Einschränkung oder Verweisung des Falles an die Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten fortfahren, um unverzüglich die endgültige Entscheidung zu treffen“.
Ist der Medienanbieter der Ansicht, dass die Entscheidung der Plattform nicht ausreichend begründet ist und die Medienfreiheit beeinträchtigt, soll er das Recht haben, den Fall vor eine außergerichtliche Streitbeilegungsstelle zu bringen.
Verleger: Wesentliche Probleme ungelöst
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP) erklärten zur Beschlussfassung im EU-Parlament, trotz Verbesserungen blieben wesentliche Probleme des Kommissionsvorschlags ungelöst: „Das europäische Medienfreiheitsgesetz darf nicht dazu führen, dass funktionierende Mediensysteme und bestehende Medienrechte und -freiheiten in Deutschland ausgehebelt werden.“
Dies gelte insbesondere für die interne Arbeitsweise und Organisation von Medienunternehmen, in die nicht eingegriffen werden dürfe, so die Verlegerverbände. Diskussionsbedarf bestehe außerdem mit Blick auf die geplante europäische Medienaufsicht und den Schutz vor inhaltlicher Kontrolle rechtmäßiger Presseinhalte durch marktmächtige digitale Vertriebsplattformen.
Die EU-Kommission betrachtet den Schutz von Journalisten als einen der beiden wichtigen Punkte in den anstehenden Abschlussverhandlungen, der andere ist die Rolle von sehr großen Plattformen. „Artikel 17 genau wie Artikel 4 werden sicher die großen Themen im Trilog werden“, sagte Renate Nikolay, Generaldirektion für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologie der EU-Kommission, am 10. Oktober bei den Brüsseler Mediengesprächen in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz.
Auch die anwesende EU-Abgeordnete Petra Kammerevert (SPD) teilte diese Einschätzung. Beim Quellenschutz und dem Schutz von Journalistinnen und Journalisten liege das Parlament weit entfernt vom Vorschlag des EU-Rates der EU. Die Position des Rates habe dazu geführt, dass „sobald Fragen der nationalen Sicherheit berührt sind, der EMFA eigentlich das Papier nicht mehr wert ist, auf dem er steht“, sagte Kammerevert.
Aus epd medien 41/23 vom 13. Oktober 2023