Eine Razzia in der Redaktion der US-amerikanischen Wochenzeitung „The Marion County Record“ im 2.000 Einwohner zählenden Marion im Bundesstaat Kansas empört in den USA Medienunternehmen und Organisationen, die sich für die Pressefreiheit engagieren. Der Journalistenverband „Reporters Committee for Freedom of the Press“ und rund 30 große Medienfirmen verurteilten die unangemessene Aktion. Sie warfen Marions Polizeichef Gideon Cody in einem offenen Schreiben vor, es gebe keine Rechtfertigung dafür. Die Aktion könne Bundesrecht verletzt haben. Die 98 Jahre alte Miteigentümerin der Zeitung Joan Meyer starb einen Tag nach der Durchsuchung.
Bei der Aktion am 11. August beschlagnahmten fünf Polizisten von Marion die Computer, Laptops und Handys der Redaktion sowie Akten. Der Durchsuchungsbeschluss begründete die Maßnahme mit Verdacht auf Identitätsdiebstahl und auf „gesetzwidrigen Umgang mit Computern“.
Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, sagte, die Razzia sei besorgniserregend und werfe viele Fragen auf. In dem Brief wirft das Reporters Committee dem Polizeichef vor, die Durchsuchung habe die von der amerikanischen Verfassung geschützte Pressefreiheit verletzt. Die Aktion könne die freie Informationsvermittlung beeinträchtigen.
Als möglicher Auslöser der Durchsuchung gilt die Beschwerde einer örtlichen Restaurantbesitzerin namens Kari Newell. Sie behauptete, die Redaktion habe sich mit illegalen Mitteln Informationen über ihre Verkehrsdelikte beschafft. Laut Durchsuchungsbeschluss sollte Material über Newell beschlagnahmt werden.
Der Staatsanwalt von Marion, Joel Ensey, räumte wenige Tage nach der Razzia ein, die Aktion sei nicht ausreichend begründet gewesen. Die Zeitung werde ihr Material zurückbekommen.
Spekuliert wird über die Motive des im Juni eingestellten Polizeichefs Cody. „Record“-Verleger Eric Meyer sagte im Rundfunksender NPR, die Zeitung habe Codys Hintergrund recherchiert. Ein Reporter der Zeitung habe Cody Fragen gestellt. Dieser habe gedroht, die Zeitung zu verklagen.
Unklar bleibt, ob die Polizei Daten der Zeitung kopiert und Geräte manipuliert hat. Ein Forensiker solle untersuchen, „dass nichts angestellt worden ist“, sagte Meyer dem Sender CNN. Die Zeitung habe nach der Razzia 2.000 neue Abos bekommen. In einem Artikel im „Marion County Record“ schrieb Meyer, die Redaktion wolle auch dazu beitragen, dass kein anderes Medienunternehmen „den Gestapo-Taktiken“ ausgesetzt werde, die sein Medium erlebt habe.
Aus epd medien 34/23 vom 25. August 2023