EGMR: Verpflichtung der "Welt" zu Gegendarstellung war zulässig
Frühere Linksfraktion-Geschäftsführerin Kampa hatte gegen Springer geklagt
Straßburg (epd).

Mit der Verpflichtung zu einer Gegendarstellung ist der Axel-Springer-Verlag nicht in seiner Meinungsfreiheit verletzt worden. Das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 17. Januar in Straßburg mit Blick auf die Richtigstellung zu dem Artikel „Die Stasi-Frau an Gysis Seite“, der 2013 in der Tageszeitung „Welt“ erschienen war. (AZ: 8964/18)

Der Zeitungsartikel beschrieb die Verbindungen der damaligen Geschäftsführerin der Linksfraktion, Ruth Kampa, zur SED, der Regierungspartei der DDR. Die beiden Autoren schrieben, Kampa sei „Top-Spionin in der DDR“ gewesen. Sie warfen außerdem in dem Artikel Fragen zum Verschwinden von SED-Parteivermögen auf.

Eine Woche später forderte Kampas Anwalt den Springer-Konzern auf, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, in der Kampa erklärte, dass sie nicht in das Verschwinden von SED-Vermögenswerten verwickelt gewesen sei. Der Verlag weigerte sich, die Gegendarstellung zu veröffentlichen. Es folgte eine Klage und ein Berufungsverfahren.

Das Landgericht Berlin wies die Klage Kampas ab, weil sie zwar mit dem Verschwinden von SED-Parteivermögen in Verbindung gebracht wurde, in dem Artikel aber nicht als Verantwortliche benannt wurde. Das Berufungsgericht verpflichtete den Verlag schließlich zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung. Diese erschien 2014.

2018 zog der Springer mit dem Fall vor den EGMR. Der Konzern beklagte, dass die Anordnung des Gerichts, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, eine Verletzung der Meinungsfreiheit gemäß Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstelle.

Die Richter des EGMR erklärten nun, dass in Fällen wie dem vorliegenden das Recht auf Achtung des Privatlebens gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung abgewogen werden müsste. Sie entschieden in letzter Instanz, dass im konkreten Fall der Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung des Verlags dem Schutz des Ansehens der Klägerin diene. Das Recht auf Gegendarstellung ziele in erster Linie darauf, dem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, falsche Informationen über die eigene Person in der Presse anzufechten.

Der EGMR ist die letzte Instanz, an die sich Kläger in Fragen des Menschenrechtsschutzes wenden können. Dies ist dann möglich, wenn sie alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft haben.

Aus epd medien 4/23 vom 27. Januar 2023

mab