Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Menschenrechts- und weiteren Nichtregierungsorganisationen warnt vor einer Verwässerung der geplanten EU-Richtlinie zum Schutz vor sogenannten Einschüchterungsklagen. Anlass sind Einschränkungen in einem Kompromissvorschlag des Europäischen Rates, wie es in einer Mitteilung vom 16. März heißt.
Für Einschüchterungsklagen gegen öffentliche Teilhabe hat sich der Begriff Slapp etabliert, der für „Strategic Lawsuits against Public Participation“ steht und angelehnt ist das englische Wort für Ohrfeige („slap“). Um die Zahl solcher Klagen einzudämmen, hat die Europäische Kommission im April 2022 einen Richtlinienentwurf eingebracht, die sogenannte Anti-Slapp-Richtlinie (epd 18/22).
Es gehe den Klägern mit solchen Verfahren nicht um den Zugang zum Recht, hatte die Kommission erklärt. Vielmehr wollten sie Umweltschützer, Kämpfer für Minderheiten oder investigative Journalisten abhalten, etwas zu veröffentlichen oder zu kritisieren. Die Klagen stammten typischerweise von mächtigen Einzelpersonen, Lobbyverbänden, Unternehmen oder staatlichen Organen.
Doch der jüngste Kompromissvorschlag des Europäischen Rates rief nun die Organisationen auf den Plan, von denen einige nach eigener Aussage bereits selbst Opfer von Slapp-Klagen waren. Entscheidende Schutzmaßnahmen für Betroffene seien gestrichen und der Anwendungsbereich der Richtlinie massiv verkürzt worden, kritisierten sie.
Hohe Schwelle
Konkret monierte das Bündnis drei Punkte an dem Vorschlag: Durch Streichungen im Zusammenhang mit „Angelegenheiten mit grenzüberschreitenden Bezügen“ würde die Richtlinie keine sachdienlichen Anhaltspunkte für eine harmonisierte Umsetzung mehr enthalten. Zudem werde „offensichtlich unbegründet“ nun so eng definiert, dass der vorgeschlagene Mechanismus der vorzeitigen Klageabweisung nutzlos würde. Die meisten missbräuchlichen Klagen würden diese viel zu hohe Schwelle nicht erreichen. Außerdem sei die Regelung zum Schadensersatzanspruch für Beklagte gestrichen worden.
Die Gewerkschaft Deutsche Journalistinnen und Journalisten Union in ver.di (dju) appellierte an die Bundesregierung, gegen den Kompromissvorschlag vorzugehen und dafür Sorge zu tragen, dass die vormals angedachten Schutzmechanismen nicht nivelliert würden. „Der nun vorliegende Kompromissvorschlag zur Anti-Slapp-Richtlinie stellt für die Betroffenen keine Verbesserungen beim Schutz vor abschreckenden Gerichtsverfahren dar“, erklärt die dju-Vorsitzende Tina Groll.
Dies mache die jahrelange Arbeit zahlreicher zivilgesellschaftlicher Akteure weitgehend zunichte. Im Koalitionsvertrag habe die Ampel-Koalition Maßnahmen gegen Slapps angekündigt. „Nun muss die Bundesregierung dies einlösen und eine Verwässerung der Richtlinie verhindern“, forderte Groll.
Dem No-SLAPP-Bündnis Deutschland gehören neben der dju die Organisationen Blueprint for Free Speech, Reporter ohne Grenzen, Rettet den Regenwald, FragdenStaat und das Umweltinstitut München an. Auf europäischer Ebene gründete sich nach dem Mord an der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia das Bündnis Coalition Against Slapps in Europe (Case), das sich maßgeblich in das europäische Gesetzgebungsverfahren einbringt (epd 42-43/22). Case äußerte ebenfalls Bedenken angesichts des Kompromissvorschlags.
Aus epd medien 12/23 vom 24. März 2023