Nach der Affäre um die frühere RBB-Intendantin Patricia Schlesinger verabschiedet sich der Sender in neuen außertariflichen Arbeitsverträgen von umstrittenen Ruhegeldregelungen. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) werde „bei künftigen AT-Verträgen mit Geschäftsleitungsmitgliedern kein Ruhegeld mehr vereinbaren“, heißt es in einer am 9. August veröffentlichen Antwort der Berliner Senatskanzlei auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Sven Lehmann. Demnach bekommen auch die amtierende Intendantin Katrin Vernau und ihre Stellvertreterin, Programmdirektorin Martina Zöllner, nach dem Ausscheiden aus dem Sender kein Ruhegeld.
Die umstrittenen Ruhegelder erhalten ehemalige Führungskräfte des Senders in der Regel, wenn sie vorzeitig aus dem Amt scheiden. Außertariflich Beschäftigte unterhalb der Geschäftsleitungsebene erhalten laut Antwort der Staatskanzlei kein Ruhegeld. Ähnliche vertragliche Vereinbarungen mit Führungskräften gibt es auch bei anderen ARD-Sendern.
Nach vorläufigen Zahlen zahlte der RBB im Jahr 2021 Ruhegelder in Höhe von insgesamt rund 2,4 Millionen Euro, wie die Berliner Senatskanzlei mitteilte. Dies habe 0,4 Prozent des Gesamtetats des Senders entsprochen. Die Angabe sei vorläufig, weil die Wirtschaftsprüfer den Bezügebericht so lange zurückhielten, bis die Ergebnisse aus der Compliance-Untersuchung vorlägen (epd 29/23). Seinen Jahresabschluss 2022 hat der RBB noch nicht beschlossen. Zwischen 2017 und 2020 zahlte der RBB laut Senatskanzlei jährlich etwa 2,2 Millionen Euro an Ruhegeldern.
Im Zuge der Affäre um die frühere Intendantin Patricia Schlesinger war im Herbst 2022 bekannt geworden, dass die Dienstverträge mehrerer RBB-Direktoren ihnen ein lebenslanges Ruhegeld in beträchtlicher Höhe zusichern. Schlesinger selbst klagt auf Zahlung von Ruhegeld. Im vergangenen November hatten sich mehr als 1.100 RBB-Beschäftigte einer Protesterklärung angeschlossen, die den Verzicht auf Ruhegelder forderte (epd 44, 45/22, 9/23).
Interimsintendantin Vernau hat bereits in der RBB-Rundfunkratssitzung am 20. April ein neues Vergütungskonzept für AT-Beschäftigte vorgestellt. Das Konzept sieht laut Protokoll der Rundfunkratssitzung unter anderem vor, dass es keine Ruhegeldzahlungen mehr gibt. Vorgesehen sei ein „Übergangsgeld“, sagte Vernau demnach. Werde der Vertrag eines Direktors nicht verlängert, dann erhalte er nach seinem Ausscheiden pro Monat die Hälfte seines letzten Monatsgehalts. Wie lange Übergangsgeld gezahlt werde, hänge von der Dauer seiner Tätigkeit als Direktor ab. Scheide ein Direktor beispielsweise nach drei Jahren aus, habe er Anspruch auf drei Monate Übergangsgeld. Maximal seien 15 Monate möglich, sagte Vernau laut Protokoll.
Der RBB teilte dem epd am 9. August mit, das Übergangsgeld werde „mit möglichen neuen Einnahmen der Betroffenen verrechnet“, sodass ausgeschiedene Direktoren nicht mehr bekommen würden als ihr ursprüngliches Vollzeitgehalt. Für den Fall, dass Direktoren „die Möglichkeit einer zumutbaren und angemessenen Weiterbeschäftigung im RBB oder einer anderen ARD-Anstalt nach Auslaufen ihres Vertrags haben (Rückfallposition), entfiele der Anspruch auf Übergangsgeld“.
Bislang ist das neue AT-Konzept noch nicht wirksam, obwohl der RBB-Verwaltungsrat es Ende März in seiner damaligen Zusammensetzung genehmigt hat. Bei Umsetzung dieses Konzepts spare der RBB künftig jährlich insgesamt mehr als eine Million Euro, hatte die frühere Verwaltungsratsvorsitzende Dorette König erklärt. Der im April neu gewählte Verwaltungsrat unter Vorsitz von Benjamin Ehlers sah jedoch noch Diskussionsbedarf (epd 19/23). Vernau hatte im Februar angekündigt, die im ARD-Vergleich beim RBB überdurchschnittlich hohe Anzahl an außertariflich Beschäftigten um rund die Hälfte zu reduzieren. Künftig soll es beim RBB nur noch 17 statt zuletzt 31 AT-Positionen geben (epd 8/23).
Der RBB-Verwaltungsrat will sich nach Angaben der Gremiengeschäftsstelle in seiner nächsten regulären Sitzung am 7. September mit dem Vergütungskonzept für AT-Beschäftigte befassen. Am 25. August gibt es eine außerordentliche Sitzung des Verwaltungsrats. In der Verwaltungsratssitzung am 11. Juli fand zum AT-Konzept keine Beratung statt, der Tagesordnungspunkt wurde aus zeitlichen Gründen vertagt. In seiner Juli-Sitzung beschäftigte sich der Verwaltungsrat vor allem mit der Compliance-Untersuchung durch die Anwaltskanzlei Lutz Abel zu den Vorwürfen der Misswirtschaft und Vetternwirtschaft beim RBB. Der RBB-Verwaltungsrat entschied gemeinsam mit der Compliance-Beauftragten des Senders, diese Untersuchung zu beenden (epd 29/23).
Aus epd medien 33/23 vom 18. August 2023