Geplanter RBB-Staatsvertrag weiter in der Kritik
Gutachter Wieland: Verfahren der Novellierung verletzt Rundfunkfreiheit
Berlin (epd).

Die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, Ulrike Demmer, hat ihre Kritik am geplanten RBB-Staatsvertrag bekräftigt. „Der Staatsvertrag sollte ein Buch sein, in dem steht, was wir tun sollen, aber nicht wie wir es tun sollen“, sagte sie am 18. Oktober in Berlin. Bei einer Podiumsdiskussion über die Zukunft des RBB äußerte sie unter anderem Bedenken gegen die Einrichtung eines „Kollegialorgans“, in dem der Intendantin zwei Direktoren zur Seite gestellt werden, die mit ihr entscheiden.

Regionale Berichterstattung sei der Kernauftrag des RBB, sagte Demmer. Der RBB sei kein Hauptstadtsender, sondern ein „Heimatsender - und zwar für die Berliner und Brandenburger“. Dennoch sei sie gegen die Eröffnung eines weiteren Regionalbüros in Brandenburg, die im Staatsvertrag vorgesehen sei. Das würde 400.000 Euro kosten. Mit dem Geld könnte eine Aufstockung der Reporterinnen und Reporter von vier auf sieben finanziert werden. Da die Ressourcen begrenzt seien, würde sie die Mittel lieber in Journalismus anstatt in Miete investieren.

Journalistisch habe sich der RBB nichts vorzuwerfen, sagte Demmer mit Blick auf Vorwürfe der Verschwendung und Vetternwirtschaft gegen die frühere Intendantin Patricia Schlesinger und den ehemaligen Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf. Der Sender sei zuvorderst an der Aufklärung beteiligt gewesen. Nun brauche der RBB schlanke Strukturen und klare Verantwortlichkeiten, die für mehr Transparenz sorgten, um zukunftsfähig zu sein.

Die Länder Berlin und Brandenburg hatten den Entwurf für den neuen RBB-Staatsvertrag am 28. August vorgestellt (epd 35/23). Vorgesehen sind eine Deckelung des Gehalts des Intendanten und mehr Kontrollfunktionen für die Aufsichtsgremien. Auch eine Stärkung der Berichterstattung aus den Regionen soll vorgeschrieben werden.

Der medienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Christian Goiny, verteidigte den Entwurf für den Staatsvertrag. Es gehe um die Stärkung von Informations- und Kontrollrechten der Gremien. Das sei ein Fortschritt. Er verteidigte auch die im Staatsvertrag vorgesehene Wahl von Landesbeauftragten durch den Rundfunkrat. Er drängte darauf, dass der neue Staatsvertrag rasch beschlossen werden müsse. Auch danach müssten weitere Veränderungen vorgenommen werden, sagte er mit Blick auf Digitalisierung und verloren gegangene Akzeptanz.

Die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Brandenburger Landtag, Petra Budke, sagte, die Wahl der Landesbeauftragten durch den Rundfunkrat bedeute eine Stärkung der Demokratie. Sie warb für eine Stärkung des Lokaljournalismus. In der Vergangenheit sei der Westen Brandenburgs in der RBB-Berichterstattung zu kurz gekommen.

Steffen Grimberg, Landesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes in Berlin und Brandenburg, äußerte Verständnis dafür, dass nach der Affäre um Vorwürfe von Vetternwirtschaft und Verschwendung im RBB „das Pendel auf die andere Seite ausschlägt“. Die Vorgaben des geplanten Staatsvertrags seien jedoch unpraktikabel und führten zu mehr Bürokratie, kritisierte er.

„Einfluss auf das journalistische Personal“

Der Medienrechtler Bernd Holznagel von der Universität Münster wies auf ein aus seiner Sicht bestehendes Kontrolldefizit im vorgesehenen Direktorium hin. Es sei nicht klar, wer wen kontrolliere, sage Holznagel, der Mitglied im RBB--Verwaltungsrat ist.

In einem Gutachten für den RBB kritisiert der Staatsrechtler Joachim Wieland von der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer mehrere Vorschriften des geplanten Staatsvertrags für den RBB. Die Wahl von Landesbeauftragten durch den Rundfunkrat bedeute einen Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit, weil der Rundfunkrat dadurch Einfluss auf die publizistische Tätigkeit des Senders erhalte, schreibt Wieland in dem Gutachten, das dem epd vorliegt.

Da diese leitenden Personen auch der Einstellung und Entlassung von Mitarbeitenden zustimmen müssten, würde der Rundfunkrat dadurch indirekt „erheblichen Einfluss auf das journalistische Personal“ gewinnen, schreibt Wieland. Zugleich würde damit die Verantwortung der Intendantin für die publizistischen Inhalte der Programme des RBB eingeschränkt. Der Rundfunkrat sei aber durch die Verfassung auf die Kontrollfunktion beschränkt.

Wieland kritisiert auch, dass der Verwaltungsrat des RBB laut Gesetzentwurf frühzeitig in die Bedarfsanmeldung des Senders bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten einbezogen werden soll. Dadurch könne der Verwaltungsrat verfassungswidrig mitgestalten, wie der Sender seinen publizistischen Auftrag ausführt. In der Anmeldung für die Ermittlung des Rundfunkbeitrags kämen „die wesentlichen Programmentscheidungen des RBB für die Zukunft zum Ausdruck“, schreibt Wieland. Würde der Verwaltungsrat an der Bedarfsanmeldung beteiligt, bekäme er frühzeitig Einfluss auf Programmentscheidungen. Dies sei mit der Rundfunkfreiheit des RBB unvereinbar.

Der Gesetzgeber sei berechtigt, die Vergütung der Intendantin wie im Staatsvertragsentwurf vorgesehen auf das Niveau des öffentlichen Dienstes zu beschränken, schreibt Wieland. Allerdings müssten dann auch die Regelungen für die Haftung der Intendantin konsequent an die des öffentlichen Dienstes angepasst werden. Derzeit sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Intendantin auch in Fällen einer nur leicht fahrlässigen Pflichtverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist. Demnach soll sie mit bis zum Eineinhalbfachen ihrer jährlichen Vergütung haften. Dieses Verhältnis zwischen Vergütung und Haftung sei nicht angemessen, schreibt Wieland: „Das hätte zur Folge, dass der RBB in seinen Möglichkeiten erheblich eingeschränkt wäre, hinreichend qualifizierte Personen als Intendantin oder Intendanten zu finden.“ Die Regelung wäre daher „unverhältnismäßig“.

Vor allem aber sieht Wieland die Rundfunkfreiheit durch das Verfahren verletzt. Eine öffentliche Anhörung zum Staatsvertragsentwurf ist bisher nicht vorgesehen. Wenn die Länder Berlin und Brandenburg den Staatsvertrag für den RBB reformieren wollten, müssten sie dem Sender jedoch ausreichend Möglichkeit geben, „seine Positionen, Bedenken und Auffassungen als Betroffener des Staatsvertrags“ einzubringen, schreibt Wieland. Daraus folge die Pflicht der Landesregierungen, den RBB nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich anzuhören. Der RBB habe die aktuelle Entwurfsfassung erst am 29. August erhalten und sei nur zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden. „Objektive Gründe für eine Eilverfahren zur Novellierung des Staatsvertrags sind weder vorgebracht worden noch sonst ersichtlich“, schreibt Wieland.

Aus epd medien 43/23 vom 27. Oktober 2023

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