Kurz vor der geplanten Abstimmung im Bundestag über Gesetzentwürfe zum Whistleblower-Schutz haben die Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP am 30. März die abschließende Beratung von der Tagesordnung genommen. Der zuständige Berichterstatter der Grünen-Fraktion, Till Steffen, sagte dem epd: „Wir haben die Abstimmung verschoben. Es soll noch ein Versuch unternommen werden, sich mit der Union zu einigen.“ Steffen appellierte an die Union, „mit der Ampel gemeinsam schnell zu einer Einigung zu kommen“.
Beim geplanten Whistleblower-Schutz geht es darum, dass Hinweisgeber künftig im beruflichen Umfeld vor Repressalien geschützt werden, wenn sie Korruption, Betrügereien oder andere Missstände in Unternehmen oder Behörden melden. Mit dem Regelwerk soll eine Richtlinie der Europäischen Union (EU) umgesetzt werden. Das hätte eigentlich schon bis zum 17. Dezember 2021 erfolgen müssen. Eine Nicht-Umsetzung der EU-Richtlinie zieht hohe Strafzahlungen nach sich.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte dem epd: „Die Koalition muss endlich zur Vernunft kommen und ein schnelles Vermittlungsverfahren zum Ursprungsgesetz durchführen. Wir standen hierzu von Beginn an bereit.“ Leidtragende des aktuellen Chaos seien die Steuerzahler, kritisierte Frei: „Ihr Geld wird für unnötige Strafzahlungen verbrannt.“
Die Regierung war unter Druck geraten, weil der Bundesrat sich geweigert hatte, die Gesetzesvorhaben am 31. März zur Abstimmung auf seine Tagesordnung zu setzen. Außerdem wollen die unionsgeführten Länder inhaltliche Änderungen und lehnen den Versuch der Ampel ab, das Gesetz in zwei Teile aufzuspalten. Der erste Anlauf für einen besseren gesetzlichen Whistleblower-Schutz war im Februar nach der Blockade eines ersten Gesetzentwurfes in der Länderkammer gescheitert (epd 7/23). Die unionsgeführten Länder hatten unter anderem geltend gemacht, der Entwurf verursache hohe Kosten und viel Bürokratie, insbesondere für kleinere Firmen.
Daraufhin hatte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP das Regelwerk aufgesplittet: Ein 88-seitiger Entwurf entspricht großteils dem ursprünglichen Gesetz. Allerdings wurden Beamte der Länder und Kommunen sowie Richterinnen und Richter im Landesdienst aus dem Anwendungsbereich herausgenommen. Damit muss nach Ansicht der Ampel-Koalition der Bundesrat nicht mehr zustimmen. In einem weiteren, achtseitigen Entwurf findet sich die Gruppe der Beamten und Richter im Landesdienst wieder. Hier muss der Bundesrat zustimmen.
Die unionsgeführten Länder sehen die Aufteilung in zwei Gesetze als Umgehung des Bundesrats an. Sie hatten daher deutlich gemacht, dass der zustimmungspflichtige Teil in der Länderkammer keine Mehrheit finden würde. Damit wäre dann auch die verpflichtende Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht gescheitert. Nun haben Regierung und Opposition bis zur nächsten Sitzung des Bundesrats am 12. Mai Zeit gewonnen, erneut miteinander eine Lösung zu suchen.
Der zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Fiedler, warf der Union vor, mit ihrer Blockadehaltung im Bundesrat den Schutz hinweisgebender Personen weiter zu verzögern. Die Koalition erwarte, dass sich CDU und CSU in den kommenden Gesprächen ihrer Verantwortung endlich bewusst würden. Es gehe um den Schutz von Menschen, die zur Aufdeckung schwerster Straftaten beitrügen, unterstrich Fiedler.
Rechtswissenschaftler hatten das parlamentarische Vorgehen der Ampel-Koalition zuvor kritisch beurteilt. Bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am 27. März in Berlin sagte der Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Winfried Kluth, dass die Aufsplittung eines Regelwerks zwar verfassungsrechtlich möglich sei, sie dürfe aber nicht willkürlich oder missbräuchlich erfolgen. Bei den aktuellen Entwürfen könne er aber keinen Sachgrund erkennen, außer dem Interesse der Durchsetzung eigener Macht.
Der Bonner Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing plädierte für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Es sei schade, wenn solch ein wichtiges Gesetz „unter dem Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit“ stehen könnte, sagte er. Beide Juristen waren auf Vorschlag der Unionsfraktion zu der öffentlichen Anhörung eingeladen.
Aus epd medien Nr. 14/15 vom 7. April 2023