Bayerischer Rundfunk will sich stärker in den Regionen verankern
Intendantin Wildermuth skeptisch bei ARD-Mantelprogramm für die Dritten
München (epd).

Der Bayerische Rundfunk (BR) will sich mehr um die Regionen in Bayern, die jungen Menschen und die Digitalisierung kümmern. Das größte Vorhaben im kommenden Jahr sei, unter dem Motto „Digital und Dahoam“ die regionale Verankerung zu stärken, sagte BR-Intendantin Katja Wildermuth am 24. November in München mit Blick auf den 75. Geburtstag des Senders im kommenden Januar. Der BR habe 30 Korrespondentenbüros in ganz Bayern, das sei „das größte regionale Korrespondentennetz innerhalb der ARD“, sagte Wildermuth.

Die Intendantin kündigte an, dass es ab kommendem Jahr mit dem neuen Format „BR24 RegioLive“ täglich Videoberichterstattung aus einer bayerischen Region bei BR24 geben soll. Im vergangenen Frühjahr habe der BR testweise ein solches Angebot gemacht, um zu sehen, wie es angenommen werde. „Binnen kürzester Zeit“ habe der der Sender 260.000 neue Anmeldungen auf der BR24-App verzeichnet, sagte Wildermuth. In Zeiten von Streaming und Künstlicher Intelligenz (KI) müsse der BR „erlebbar sein in den Regionen“.

Der Programmdirektor Information, Thomas Hinrichs, sagte, bei diesem Kernprojekt gehe es um die Vielfalt Bayerns und um den gesellschaftlichen Zusammenhalt: „Wir wollen Journalismus mit Tiefgang.“ Die Korrespondentinnen und Korrespondenten sollen in ihren Regionen Themen finden, die für ganz Bayern relevant seien. Die Sondersendungen sollen zunächst online abrufbar, später auch im linearen Fernsehen zu sehen sein.

Dieses „journalistische Dahoam“ solle mit der digitalen Zukunft verbunden werden, sagte Wildermuth. Denn das Nutzungsverhalten gehe klar von linear zu digital, vor allem bei der Zielgruppe der 15- bis 24-Jährigen, wo nur noch 19 Prozent das lineare Angebot nutzen. Vor fünf Jahren seien es noch rund 40 Prozent gewesen. Angesichts von wachsenden Filterblasen und Demokratieskepsis müsse sich der BR noch mehr auf den Qualitätsjournalismus konzentrieren.

Wildermuth sagte, der BR nutze Künstliche Intelligenz (KI), etwa bei der Archivierung von Bildmaterial, aber nach klaren ethischen Grundsätzen, für die ein eigener Kodex erstellt wurde. Es gehe hier um sensible Daten, betonte Wildermuth. Beim Qualitätsjournalismus werde die Natural Intelligence - also der menschengemachte Journalismus - einen noch höheren Stellenwert bekommen. Ein solcher Kodex für KI helfe auch, attraktiv für Nachwuchsjournalisten zu sein, ergänzte Hinrichs.

Eine Ausweitung der Nutzung von KI für redaktionelle Tätigkeiten könne er sich vorstellen, sagte Thomas Hinrichs. Aber dazu müsse man auch das Publikum fragen, ob es das wolle. KI-Moderatoren könne er sich bei bestimmter Berichterstattung vorstellen - etwa beim Wetterbericht oder bei den Verkehrsnachrichten. Die KI könne hier helfen, den Qualitätsjournalismus zu stärken. Das Credo des BR laute: „Journalismus von Menschen für Menschen.“ Der Mensch als Journalist werde daher niemals überflüssig.

Hinrichs betonte den Wert eines „dialogfähigen Journalismus“. Es brauche einen aktiven Austausch mit dem Publikum ohne Arroganz. Mithilfe von KI suche man auf den BR-Kanälen nach konstruktiven Sachargumenten von Userinnen und Usern, die man dann in den eigenen Formaten aufnehme. Hier helfe die KI, sodass den Journalistinnen und Journalisten mehr Zeit für einen qualitativ hochwertigen Dialog bleibe.

Wildermuth kündigte an, dass sich der BR mehr um den journalistischen Nachwuchs kümmern wolle. Jede Branche kämpfe angesichts des Fachkräftemangels um „gute Leute“. Der BR habe daher die Zahl seiner Volontärinnen und Volontäre auf 24 verdoppelt. Auch ein abgeschlossenes Hochschulstudium werde künftig nicht mehr zwingend notwendig für ein Volontariat sein. „Wir haben supergute Bewerbungen. Wir können aus dem Vollen schöpfen“, sagte Wildermuth.

250.000 Euro für neue Kulturformate

Ab Frühjahr 2024 soll es im BR mehr Angebote für das junge Publikum zur Berufsorientierung geben: neben „Alpha Uni“ über verschiedene Studiengänge auch analog das Format „Alpha Azubi - die Job Challenge“ über Ausbildungsberufe.

Wildermuth bezeichnete die Kulturberichterstattung im BR-Programm als „unverzichtbare Säule“. Sie solle „zeitgemäß weiterentwickelt“ werden. Den Redaktionen stünden 250.000 Euro für die Entwicklung neuer Formate zur Verfügung.

Kulturschaffende und Kulturverbände in Bayern protestieren seit Wochen gegen die geplante Reform des Kulturprogramms Bayern2 (epd 43, 37, 31-32/23). Am 19. Oktober erschien in der „Süddeutschen Zeitung“ eine ganzseitige Anzeige, in der die Verlage, Künstler und Hörerinnen der Kulturwelle an den BR appellierten, „eigenständige Kulturprogramme“ auf Bayern2 zu erhalten. In der Anzeige wurde „Kultur von Format, kein Format-Radio!“ gefordert. Wichtig seien „kompetente, eigenständige, kompakte auffindbare Kultursendungen mit fachgerechter Moderation statt Häppchenkultur und dreistündigem Gemischtwarenladen.“

Der BR hat die Pläne für die Neugestaltung der Kulturwelle Bayern2 noch nicht offiziell vorgestellt. Nach einem dem epd vorliegenden Konzept sollen Einzelsendungen wie das tägliche Kulturfeuilleton „Kulturwelt“, das „Kulturjournal“ oder die Büchersendung „Diwan“ gestrichen werden, stattdessen sind längere Magazinstrecken geplant, deren Arbeitstitel „Bayern2 am Morgen“, „Bayern2 am Vormittag“ und „Bayern2 am Abend“ heißen (epd 43/23).

Wildermuth äußerte sich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Ausgabe vom 25. Oktober) skeptisch zu einem möglichen Mantelprogramm für alle Dritten Fernsehprogramme der ARD. „Für ein Mantelprogramm müsste einiges Originäres gestrichen werden“, sagte sie: „Man muss deshalb gut abwägen, wo macht ein Mantelprogramm Sinn, und wo müssen die Herzstücke des BR unangetastet bleiben.“

Die einzelnen Landesrundfunkanstalten hätten einen unterschiedlichen Anteil an genuinen regionalen Inhalten. Der BR biete sehr viel einzigartiges Programm, sagte Wildermuth und nannte „Formate zu traditionellem bayerischen Brauchtum, die nicht nur Unterhaltung bedeuten, sondern auch gesellschaftliches Miteinander und kulturelle Identität unterstreichen“. Solche Formate mit Alleinstellungsmerkmal würden angesichts der riesigen medialen Angebote immer wichtiger.

Grundsätzlich halte sie die Überlegungen, innerhalb der ARD mehr zu kooperieren und komplementärer zu agieren, für richtig, sagte die BR-Intendantin. Dafür seien jedoch auch noch rechtliche Hürden zu nehmen. So müsse die Honorierung der Autoren und Rechteinhaber geklärt werden. Außerdem brauche die ARD klare kartellrechtliche Regelungen für die Zusammenarbeit, denn alle ARD-Anstalten seien wirtschaftlich und rechtlich unabhängige Unternehmen.

Aus epd medien 44/23 vom 03. November 2023

lbm/kfr/dir