ARD und ZDF setzen kontinuierliche Programmanalyse aus
Hasebrink: Einstellung wäre "Rückschlag" für Bemühungen um gesellschaftlichen Dialog
Mainz, Frankfurt a.M. (epd).

Die Medienforschung von ARD und ZDF setzt in diesem Jahr die kontinuierliche Programmanalyse aus. Das bestätigte das ZDF dem epd. Nach epd-Informationen wollen ARD und ZDF in diesem Jahr beraten, ob sie die systematische Medienbeobachtung, die seit 1985 kontinuierlich erhoben wird, 2024 wieder fortführen wollen. Die Programmanalyse für das Jahr 2022 wird demnach in diesem Jahr noch erscheinen, für das laufende Jahr sollen jedoch keine Daten erhoben werden. Der Medienforscher Uwe Hasebrink sieht diese Entscheidung kritisch.

Das ZDF teilte dem epd dazu mit, ARD und ZDF stünden „vor der Herausforderung, neue und zukunftsweisende Forschungsfelder zu erschließen“. Im ZDF erfolge dies im Rahmen der Strategie „Ein ZDF für alle“. Der Fokus liege „daher nunmehr auf der stärkeren Erforschung des nonlinearen Bereiches“. Gemeinsam mit der ARD sei unter anderem ein Forschungsprojekt zur „Analyse der Angebotsstrukturen öffentlich-rechtlicher Mediatheken und privater Streamingdienste in Deutschland“ in Auftrag gegeben worden. Mit dieser Studie sei die Beratungs- und Forschungsgruppe Goldmedia beauftragt worden.

Die ARD wollte sich zu der Entscheidung nicht äußern. Sie verwies auf das ZDF, weil ZDF-Intendant Norbert Himmler derzeit der ARD/ZDF-Forschungskommission vorsitzt.

ARD und ZDF haben seit 1985 jährlich Daten zum Vergleich ihrer Programmangebote mit denen der privaten Konkurrenz erheben lassen und veröffentlicht. Die Daten wurden von 1985 bis 2018 vom Institut IFEM in Köln unter Leitung von Udo Michael Krüger erhoben. Seit 2018 beauftragen die Sender das Institut Göfak Medienforschung unter Leitung von Hans-Jürgen Weiß mit dem Langzeitprojekt. In der Programmanalyse werden die Inhalte der sechs Sender Das Erste, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben und Vox miteinander verglichen. Eine zweite Teil-Studie betrachtet den Umfang, die Struktur und die Inhalte der journalistischen Informationsangebote in den vier Fernsehprogrammen Das Erste, ZDF, RTL und Sat.1.

Der Medienforscher Hasebrink sagte dem epd, die kontinuierliche Programmanalyse von ARD und ZDF habe seit 1985 „eine Grundlage für die Verständigung über die Angebotsstruktur bereitgestellt, auf die sich die Medienpolitik, die Gremien von ARD und ZDF, die Wissenschaft, der Journalismus, beziehen konnten“. Die Programmanalyse liefere wichtige „Anhaltspunkte darüber, welchen spezifischen Beitrag die öffentlich-rechtlichen Programme zum Gesamtangebot leisten“. Eine Einstellung dieser kontinuierlichen Programmbeobachtung „wäre ein Rückschlag für die aktuellen Bemühungen, mit der Gesellschaft in einen konstruktiven Dialog darüber zu kommen, was diese von den Medien erwartet und inwieweit diese Erwartungen erfüllt werden“.

Ohne Zweifel müsste heute „der Gegenstand der Analyse erweitert werden“, sagte Hasebrink, der bis 2021 Direktor des Hans-Bredow-Instituts in Hamburg war. Aber „eine Angebotsanalyse, die nur die linearen Hauptprogramme berücksichtigt, bietet immer noch ein besseres Bild des öffentlich-rechtlichen Angebots als gar keine Analyse“. Die Inhalte der Mediatheken könnten nach denselben Kriterien beschrieben werden wie bisher die Sendungen des linearen Programms. Es sei „weiterhin sinnvoll, das Angebot von ARD und ZDF nach Produktionsmerkmalen, nach Sparten und Genres und nach Themen zu beschreiben“.

Diese Programmbeobachtung sollte „so unabhängig wie möglich organisiert werden“, sagte Hasebrink. Wichtige Voraussetzung sei, dass das Beobachtungsverfahren transparent sei. Der „für die Glaubwürdigkeit der entsprechenden Analysen wichtige Eindruck der Unabhängigkeit“ könnte seiner Ansicht nach gestärkt werden, „wenn nicht ARD und ZDF selbst, sondern ihre Gremien diese in Auftrag gegeben würden“. Dies würde auch den Vorgaben des Dritten Medienänderungsstaatsvertrags entsprechen, denen zufolge die Gremien „inhaltliche und formale Qualitätsstandards“ für die Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio festsetzen und „standardisierte Prozesse zu deren Überprüfung“ einrichten sollen (epd 45, 23/22). Das Gesetz soll im Sommer in Kraft treten.

Auch die Landesmedienanstalten hatten die aktuellen Programmentwicklungen in den acht größten Fernsehvollprogrammen von 1998 bis 2018 kontinuierlich erforschen lassen. Diese Untersuchung wurde 2019 eingestellt (epd 27/19, 21/15, 15/12, 39/10). Die Landesmedienanstalten hatten damals mitgeteilt, die Programmforschung solle „erweitert“ werden.

Aus epd medien 5/23 vom 3. Februar 2023

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