Kein Plan
Der lange Weg zur Digitalisierung des Radios

Vor gut sechs Jahren, im Februar 2017, legte die Bundesregierung einen Aktionsplan für den Umstieg auf die digitale Radioverbreitung vor. Darin wurde kein Abschaltdatum für die analoge Verbreitung von Radio über UKW festgelegt (epd 8, 9/17). Laut der jüngsten Media-Analyse hören sechs Jahre später immer noch drei Viertel der Menschen in Deutschland täglich Radio über UKW. 15,1 Prozent nutzen täglich DABplus, Online-Radio kommt auf eine Tagesreichweite von 9,1 Prozent. Nach den Recherchen von Volker Nünning scheint der Aktionsplan von 2017 in der Medienpolitik vergessen zu sein: Die Digitalisierung des Radios schreitet weiter nur langsam voran, auch weil die Marktteilnehmer unterschiedliche Interessen haben.

epd Der Switch-off beim Fernsehen erfolgte bereits vor vier Jahren: Seit Mitte 2019 werden in Deutschland die TV-Sendesignale über alle Verbreitungswege ausschließlich digital übertragen. Damals stellten auch die letzten Kabelnetzbetreiber die analoge Fernsehverbreitung ein. Das analoge Antennenfernsehen war bereits 2009 abgeschaltet worden, beim Satellitenfernsehen passierte dies 2012. Anders sieht es hierzulande im Hörfunk aus, der vor allem regional und lokal ausgerichtet ist. Beim Radio dominiert weiterhin die analoge Verbreitung. So hören die Menschen in Deutschland Radio auch weiterhin am häufigsten terrestrisch über UKW - eine Technik, über die deutsche Hörer im Jahr 1950 erstmals Radio empfangen konnten, als der NWDR das erste Programm verbreitete (epd 18/20).

Heute gibt es in nahezu jedem deutschen Haushalt mindestens ein UKW-Radiogerät - insgesamt sollen dort, wie in den „Audio Trends 2022“ der Landesmedienanstalten nachzulesen ist, rund 120 Millionen UKW-Radios vorhanden sein (epd 37/22). Das sind rund 12 Millionen Geräte weniger als im Jahr 2018.

20 Prozent hören Webradio

Im selben Zeitraum hat laut den „Audio-Trends“ die Zahl der Geräte mit Digitalempfang um 16 Millionen zugenommen. Auch wenn die Radionutzung über UKW weiterhin überragt, sinkt sie seit mehreren Jahren merkbar. Nach den Zahlen der Landesmedienanstalten für 2022 ist nur noch für 55,8 Prozent der über 14-Jährigen UKW die am häufigsten genutzte Radioempfangsart. 2018 belief sich dieser Wert noch auf knapp 69 Prozent.

UKW hat vor allem zugunsten von Webradio und dem digital-terrestrischen DABplus-Standard verloren. Laut den „Audio Trends“ präferierte fast jeder Fünfte der über 14-Jährigen Webradio (19,2 Prozent), jeder Achte DABplus (12,4 Prozent). Fünf Jahre zuvor hatten 9,2 Prozent angegeben, sie würden am häufigsten über das Internet Radio hören, 5,7 Prozent hatten DABplus genannt.

Als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnen die Landesmedienanstalten die Entwicklung des DABplus-Standards, der 2011 eingeführt wurde und die seit 1995 existierende DAB-Technik ersetzte. In den „Audio Trends 2022“ heißt es: „In nur zehn Jahren hat sich die Zahl der Haushalte mit DABplus-Empfängern versiebenfacht. 12,6 Mio Haushalte verfügen mittlerweile über mindestens ein DAB-Radiogerät, das entspricht knapp einem Drittel der Haushalte in Deutschland.“ Man könnte aber auch andersherum fragen, warum es nach zehn Jahren erst 30,8 Prozent der Haushalte sind, die Zugang zu DABplus haben.

Regional ist die Entwicklung von DABplus durchaus unterschiedlich, was die technische Reichweite, die Anzahl der zu empfangenden Digitalprogramme, deren Nutzung oder die Ausstattung der Haushalte mit DABplus-Geräten angeht. Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und die drei mitteldeutschen Länder kommen laut den „Audio Trends 2022“ jeweils auf eine deutlich überdurchschnittliche Haushaltsdichte mit DABplus-Geräten, unterdurchschnittlich ist sie unter anderem in Berlin und Brandenburg.

In Bayern sind seit 2021 sämtliche private, über UKW verbreitete Hörfunkprogramme auch via DABplus zu empfangen. Bayern war in Sachen Digitalisierung des Radios von Anfang an Vorreiter im Länderkreis. Über DABplus werden im Freistaat auch zusätzliche nicht über UKW zu hörende Sender verbreitet.

In Schleswig-Holstein hat sich die seit 2022 amtierende Regierung von CDU und Grünen das Ziel gesetzt, das Land zur „digitalen Hörfunkvorreiterregion“ und dabei „DABplus mittelfristig zum alleinigen Standard“ zu machen. In Baden-Württemberg, wo Grüne und CDU in einer Koalition regieren, wurde das Mediengesetz so geändert, das UKW-Lizenzen einmalig bis 2032 verlängert werden können. Dies ließe sich auch als gesetzliches Abschaltdatum für UKW interpretieren.

Die Landesmedienanstalten erfragen seit Jahren für ihre „Audio Trends 2022“ (früher: „Digitalisierungsbericht Audio“), über welchen Weg am häufigsten Radio gehört wird. Das Webradio konnte hier in den vergangenen Jahren stets steigende Werte verbuchen - für DABplus galt dies zuletzt nicht mehr. Hatten 2021 noch 12,5 Prozent der über 14-Jährigen den digital-terrestrischen Radioempfang bevorzugt, sank dieser Wert im Folgejahr geringfügig auf 12,4 Prozent. Diese Entwicklung wirft zumindest die Frage auf, welche Rolle DABplus bei der Digitalisierung der Hörfunkverbreitung spielen kann. Darüber wird in der Branche kontrovers diskutiert. Ist DABplus nur eine Übergangs- oder Brückentechnologie, bis irgendwann die Radioverbreitung größtenteils nur noch über das Internet stattfindet, also IP-basiert?

400 Millionen Euro für Simulcast-Verbreitung

Die Folge wäre, dass Radiohören dann nicht mehr so anonym möglich wäre wie bei DABplus und UKW. Oder geht es um einen Mix verschiedener digitaler Übertragungs- und Ausspielwege, wozu dann auch DABplus gehören würde, um am Ende die analoge UKW-Technik abzulösen?

Dass DABplus zuletzt bei der Frage der Landesmedienanstalten nach der meistgenutzten Verbreitungsart geringfügig verloren hat, findet die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) jedenfalls „bemerkenswert“. Das teilte die KEF dem epd mit. Der aus 16 Sachverständigen bestehenden Kommission, die sich sonst sehr zurückhält, öffentlich Bewertungen abzugeben, kommt bei der Digitalisierung der Hörfunkverbreitung eine nicht zu unterschätzende Rolle zu. Sie entscheidet unter anderem darüber, wie viel Geld die ARD-Anstalten und das Deutschlandradio für die terrestrische Verbreitung ihrer Hörfunkprogramme über UKW und DABplus erhalten sollen. Hierfür hat die KEF der ARD für die laufende vierjährige Rundfunkbeitragsperiode, die Ende 2024 endet, insgesamt 279,3 Millionen Euro bewilligt. Beim Deutschlandradio sind es 122 Millionen Euro.

Zusammen geben ARD und Deutschlandradio also insgesamt 401,3 Millionen Euro aus, um die gleichzeitige Verbreitung ihrer Programme über UKW und DABplus - den sogenannten Simulcast - über vier Jahre zu finanzieren. Die KEF hat ein Modell entwickelt, demzufolge das genehmigte Budget hierfür über die Jahre vermindert wird. Das Ziel sei, „dass ab 2029 nur noch die Verbreitungskosten für DABplus anerkannt werden“. In ihrem 23. Bericht, der im Februar 2022 veröffentlicht wurde, bestätigte die KEF die bis Ende 2024 bewilligten Gelder für die terrestrische Hörfunkverbreitung, stellte aber zugleich fest: „Es ist derzeit noch immer nicht absehbar, wann der teure Simulcast UKW/DABplus beendet werden kann.“ Diese Aussage könnte im nächsten KEF-Bericht, der Anfang 2024 veröffentlicht wird, ähnlich ausfallen.

Angesichts der zuletzt eher schleppend vorangehenden Entwicklung von DABplus dürfte die Kommission kaum gewillt sein, den Sendern ab 2029 zusätzliches Geld in Aussicht zu stellen, damit der Simulcast fortgesetzt werden kann. Dieser dürfte dennoch weiter nötig sein, da in fünf Jahren UKW auch noch die zentrale Rolle spielen wird. Und spätestens dann werden die öffentlich-rechtlichen Sender unter Druck geraten, da sie sich entscheiden müssen, wo sie ihre Priorität bei der terrestrischen Hörfunkverbreitung setzen.

Digitalstrategie von Deutschlandradio

Die ARD und das Deutschlandradio stufen wie die Landesmedienanstalten DABplus als „Erfolgsgeschichte“ ein, wie sie dem epd erklärten. Auf die Frage, welche Strategie die ARD bei der Digitalisierung des Hörfunks verfolgt, teilte der Senderverbund knapp mit: „Die Landesrundfunkanstalten haben den Auftrag, ihre Hörfunkprogramme über DABplus, UKW und IP zu verbreiten. Es ist uns ein Anliegen, unseren Hörerinnen und Hörern, Nutzerinnen und Nutzern ihre Angebote auf dem von ihnen primär genutzten Weg zur Verfügung zu stellen.“

Das Deutschlandradio setzt seit 2011 auf eine Digitalstrategie, nicht zuletzt da die Programme des Senders nicht in ganz Deutschland über UKW-Frequenzen zu empfangen sind. Die Devise lautet, „einen baldigen UKW-Ausstieg“ zu erreichen, auch weil der heutige Sendebetrieb über UKW höhere Verbreitungskosten durch den Energieaufwand und damit unnötige Kohlendioxid-Emissionen verursache. Es gehe darum, die Hörer „mit DABplus und ergänzend mit IP zu erreichen“, teilt das Deutschlandradio mit. Diese beiden unterschiedlichen Technologien würden „sich perfekt ergänzen“. Mit der Satellitenverbreitung für besondere Empfangssituationen sei dies „perspektivisch die Grundversorgung für unsere linearen Angebote“. Seit 2018 seien 28 UKW-Frequenzen abgeschaltet worden, weitere zehn sollen 2023 folgen. Solange hierzulande ein Ende von UKW nicht absehbar sei, werde darüber jedoch weiter gesendet. Dabei geht es dem Deutschlandradio zufolge um „ein reduziertes Angebot“ im Rahmen eines sogenannten Vorbehaltsnetzes.

Auch Media Broadcast wertet DABplus als „Erfolgsgeschichte“, wie das Unternehmen dem epd mitteilte. Das Unternehmen, das zahlreiche digital-terrestrische Multiplexe in Deutschland betreibt, bezeichnet sich als „DABplus-Marktführer“. Zu den Multiplexen, die Media Broadcast betreibt, gehören die beiden bundesweiten sowie weitere auf Länderebene. Seit 2011 habe sich die Zahl der über DABplus empfangbaren Programme vervielfacht, sie übersteige heute die Auswahl an UKW-Programmen in den meisten Regionen um ein Mehrfaches, teilte Media Broadcast mit. Das sei „ein starkes Indiz dafür, dass die Programmveranstalter inzwischen DABplus als elementaren Verbreitungsweg in ihrem Distributionsmix sehen“.

Bei DAB plus ließen sich immer knapper werdende Frequenzressourcen effizienter für die Programmverbreitung nutzen, führte Media Broadcast aus. Es komme hinzu: Seit 2011 habe sich nicht nur die Zahl und die Auswahl der Empfangsgeräte deutlich und stetig erhöht, auch die von der Politik beschlossene und seit Ende 2020 geltende Digitalradiopflicht für Neufahrzeuge habe die Gesamtentwicklung unterstützt.

Kein direkter Rückkanal

„DABplus ist und wird niemals eine mit UKW vergleichbare Erfolgsgeschichte“, sagte dagegen Michael Radomski, Geschäftsführer des Sendernetzbetreibers Uplink Network, dem epd. Er nennt DABplus eine „Brückentechnologie“. DABplus werde „langfristig lediglich eine Nischenrolle einnehmen, weshalb ein überstürzter Umstieg von UKW auf DAB plus der Medienvielfalt insgesamt schadet“. Die digital-terrestrische Verbreitung habe „gegenüber UKW keine wirklichen Vorteile, wie es Online-Radio tatsächlich hat“. Zentraler Vorteil von Online-Radio sei aus Sicht der Sender der direkte Rückkanal zum einzelnen Hörer.

Radomskis Devise lautet: „UKW so lange, wie es geht, DABplus dort, wo es Sinn macht, das unaufhaltsame Wachstum von Online-Audio sinnvoll nutzen.“ Uplink betreibt derzeit knapp 800 UKW-Frequenzen, davon rund 350 für öffentlich-rechtliche Sender. Hinzu kommt eine zweistellige Anzahl von DABplus-Sendeanlagen in künftig drei Bundesländern. Aktuell verstärkt das Unternehmen sein Engagement im Markt für Online-Audiodienste.

Der Verband Privater Medien Vaunet teilte dem epd mit, dass es auf die tatsächliche Nutzung eines Übertragungswegs wie DABplus ankomme, um Aussagen zum Erfolg machen zu können. Der Zugang der Bevölkerung zu UKW liegt laut den „Audio Trends 2022“ bei 89,1 Prozent, bei Webradio bei 52,8 Prozent - und damit jeweils deutlich vor DABplus (33,5 Prozent).

Gemäß der Media-Analyse 2023 Audio I, die Ende März veröffentlicht wurde, beträgt die Tagesreichweite von UKW-Radio bei den über 14-Jährigen immer noch 74,3 Prozent - sie ist zwar gegenüber der vorherigen Radio-Media-Analyse (MA 2022 II) etwas gesunken, bleibt aber deutlich höher als bei DABplus, das nur 15,1 Prozent der über 14-Jährigen täglich nutzen, und Online-Audio, das nur auf eine Tagesreichweite von 9,3 Prozent kommt. DABplus konnte hier zulegen, während Online-Audio etwas verlor.

Der Vorsprung von UKW gegenüber den anderen Übertragungswegen ist bei der Radionutzung immer noch enorm. Um die Hörer zu DABplus hinüberzuziehen, heißt es aus der Branche, müsse die regionale Vielfalt des UKW-Privatradios auch über DABplus empfangbar sein. Die Berliner Geschäftsstelle der Landesmedienanstalten verweist vor diesem Hintergrund auf eine aktuelle Studie der Landesanstalt für Medien NRW, in der die Bedeutung von DABplus für die Radiobranche in Nordrhein-Westfalen untersucht worden sei. Das Ergebnis: Wenn die bestehenden UKW-Lokalradios nicht über DABplus verbreitet werden, wechseln die Hörer nicht von UKW zum Digitalradio.

Wettbewerb der Übertragungswege

„Am Ende entscheiden die Hörerinnen und Hörer, welcher Verbreitungsweg sich durchsetzt“, sagte Marco Maier von Vaunet dem epd: „Hier sehen wir aktuell, dass insbesondere der IP-Empfang als digitaler Verbreitungsweg sehr relevant ist. Auch weil Webradio- und Online-Audio-Empfang über zig sowieso zur Verfügung stehende Endgeräte wie Smartphones, Smartspeaker, Tablets, Notebooks sehr einfach ist und gut funktioniert. Viele Marktteilnehmer - auch die ARD und die Sendernetzbetreiber - sehen den 'tipping point', an dem der IP-Empfang der dominante Ausspielweg sein wird, spätestens Mitte der 30er Jahre.“

Maier ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Vaunet und dort auch Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste. Der Wettbewerb der digitalen Übertragungswege untereinander ist für Maier „ein wesentlicher Faktor, wenn es um die zukünftige Relevanz von DABplus als digitalen Übertragungsweg geht“.

Ähnlich argumentiert die Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR): Jeder Programmveranstalter solle für sich entscheiden, „welchen Mix von Vertriebswegen er für sein Programmangebot im Wettbewerb einsetzen möchte. Es ist nicht Aufgabe des Verbandes und auch nicht Aufgabe der Politik, in diesen Wettbewerb einzugreifen, indem einzelne Vertriebswege aus dem Markt genommen werden“, sagte APR-Geschäftsführer Stephan Ory dem epd. Gleichwohl plädiere auch die APR dafür, DABplus auszubauen. Würde die Politik entscheiden, UKW zu beenden, stelle sich heute die Frage, so Ory, wohin die Hörer dann wechseln würden: „Vermutlich wäre das eher ein Booster für Alexa und weniger für DABplus. Das würde bedeuten, dass sich in einen größeren Anteil der Audioverbreitung eine Plattform mit eigenem Interesse an den Hörern schiebt.“

Während die ARD-Anstalten und das Deutschlandradio zur Finanzierung ihrer Programmverbreitung Geld aus dem Rundfunkbeitrag erhalten, können kommerzielle Anbieter nicht ohne Weiteres eine zusätzliche terrestrische Verbreitung über DABplus aus ihren Werbeerträgen stemmen. Aus der Branche heißt es, für die Privaten seien die UKW-Frequenzen weiterhin für die Reichweite entscheidend, um entsprechende Werbeerträge zu erzielen, mit denen sich die Kosten für weitere Ausspielwege finanzieren ließen.

Vaunet spricht sich dafür aus, Privatradios finanziell zu fördern. Für sie sei der Zusatzaufwand für den Ausbau von DABplus über Werbung nicht zu finanzieren, sagt Marco Maier. Es seien „gemeinsam klare Rahmenbedingungen für eine Förderung der privaten Hörfunkanbieter zu entwickeln. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, liegt jedoch bei den Ländern und dem Bund, nicht bei den Landesmedienanstalten.“ Vaunet bezifferte bereits vor einiger Zeit den Bedarf für eine Infrastrukturförderung bei DABplus auf rund 60 Millionen Euro pro Jahr.

Radio hat keine Priorität

Die rheinland-pfälzische Staatskanzlei, die die Medienpolitik der Länder koordiniert, verwies gegenüber dem epd darauf, dass die Landesmedienanstalten im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten DABplus fördern könnten: „Mit den ihnen aus dem Rundfunkbeitrag zur Verfügung stehenden Mitteln setzen die jeweiligen Medienanstalten unterschiedliche Prioritäten. Dass DABplus in den einzelnen Ländern unterschiedlich schnell voranschreitet, ist Ausdruck unseres föderal aufgebauten unabhängigen Mediensystems.“

Eine konzertierte DABplus-Förderung der Landesmedienanstalten für Privatradios hält die APR für wenig realistisch. Bei der Digitalisierung des Hörfunks geht es für die APR mehr um Angebotsformen und Nutzungsmöglichkeiten für die Hörer, etwa um „die Auffindbarkeit in Benutzeroberflächen, die zukünftige Verfügbarkeit eines 'Radioknopfes' in Dashboards von Automobilen sowie die Verfügbarkeit von Nutzerdaten im selben Umfang wie die digitalen Plattformen, die sich zwischen die Radioanbieter und ihre Hörer schieben“, wie Geschäftsführer Ory erklärte. Hier wäre für ihn eine konzertierte Unterstützung der Landesmedienanstalten „hilfreich und angesichts der finanziellen Spielräume der Anstalten auch realistischer“.

Uplink-Geschäftsführer Radomski sieht es ähnlich: „Der Ruf nach einer Förderung von DABplus ignoriert die Entwicklung des Online-Audios, dieser Transformationsprozess müsste dringend deutlich stärker begleitet werden.“

Einen konkreten Plan aller Beteiligten dazu, zu welchen Zeitpunkten welche Maßnahmen greifen, um die Digitalisierung im Hörfunk voranzubringen, scheint es derzeit nicht zu geben. Wenn es ihn geben sollte, ist er zumindest nicht öffentlich bekannt. Die zuständigen Bundesländer scheinen bei ihrer Medienpolitik dem Radio insgesamt schon seit längerem keine Priorität mehr beizumessen. Für Marco Maier von Vaunet kann nur „die gemeinsame Weiterentwicklung der terrestrischen Verbreitung (UKW und DABplus) zu einem nachhaltigen Erfolg führen“. Dabei müsse auch die hohe Relevanz der UKW-Verbreitung und deren existenzielle Bedeutung für die Finanzierung der Privatradios durch den öffentlich-rechtlichen Hörfunk und auch von der Medienpolitik insgesamt anerkannt und berücksichtigt werden.

Uplink-Geschäftsführer Radomski fordert, einen ergebnisoffenen und transparenten Austausch zur Rundfunkinfrastrukturpolitik mit allen Beteiligten anzusetzen. „Stattdessen laufen die Gespräche und Verhandlungen oft in Hinterzimmern und maximal intransparent ab“, sagte er. Die rheinland-pfälzische Staatskanzlei erklärte, in Sachen Digitalisierung beim Hörfunk sei man „in fortlaufenden Gesprächen und im Austausch mit dem Bund, den Medienanstalten und den Beteiligten, um uns einem Maßnahmenplan weiter anzunähern“.

Abbildung der UKW-Struktur auf DABplus

Das Deutschlandradio teilte dagegen mit, es gebe einen solchen Maßnahmenplan. Er sei 2018 entstanden und sei „in einigen Sitzungen des Digitalradio-Boards fortgeschrieben“ worden: „Ein maßvoller Fortschritt stellt sicher, dass möglichst viele Beteiligte mitmachen und nicht zurückgelassen werden.“ Das Digitalradio-Board wurde 2015 vom damaligen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur initiiert (epd 17/16, 10/17, 12/18). Darin sind neben dem Bund alle Marktbeteiligte sowie die Bundesländer und Aufsichtsbehörden vertreten. Als Ziel wurde 2015 ausgegeben, „eine Roadmap zum Übergang von UKW auf Digitalradio zu fixieren“.

Die letzte Sitzung des Digitalradio-Boards fand laut der Mainzer Staatskanzlei im September 2022 statt. Vereinbart worden sei damals, in den einzelnen Bundesländern zu überprüfen, ob und wie die bestehende UKW-Struktur auf DABplus abgebildet werden könne. Damit sollen die jeweiligen Verbreitungskosten und so der Förderbedarf der privaten Veranstalter ermittelt werden. Zu möglichen Ergebnissen äußerte sich die Staatskanzlei nicht. Michael Radomski von Uplink meint, dass es beim Digitalradio-Board „ausschließlich darum geht, wie man die UKW-Verbreitung am schnellsten reduzieren kann“.

Da UKW weiterhin von rund 90 Prozent der Bevölkerung genutzt werde, so Radomski, könne diese Technik nicht beendet werden - „zugunsten deutlich weniger genutzter Medien, die gleichzeitig auch wesentlich störanfälliger sind“. Der Uplink-Chef verwies auf die Bedeutung von UKW bei Krisen wie etwa der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021. Ähnlich äußerte sich Marco Maier von Vaunet: UKW sei heute „der wichtigste Notfall-Verbreitungsweg“, weil darüber Menschen in signifikanter Zahl zu erreichen seien. Gleichwohl erklärte die rheinland-pfälzische Staatskanzlei: Der bundesweite Warntag am 8. Dezember 2022 habe gezeigt, „dass DAB plus ein wichtiger und zuverlässiger Kanal zur Übermittlung von Warnmeldungen im Krisenfall ist“. Die Alarmierung über das sogenannte MoWaS-System des Bundes, die Sendeanlagen und Signalwege hätten einwandfrei funktioniert.

Kein Switch-off in Sicht

Klar ist: Wegen der unterschiedlichen Interessen der Marktbeteiligten wird es beim Hörfunk so schnell keinen Switch-off der terrestrischen analogen Verbreitung geben. Die Landesmedienanstalten halten auch kein bundesweit einheitliches UKW-Abschaltdatum für erforderlich, „da die Fortschritte im föderalen System bereits zu unterschiedlich“ seien. Die Bundesländer sollten „gemeinsam mit den Marktakteuren und den Landesmedienanstalten den Prozess zu gegebener Zeit gestalterisch in die Hand nehmen“.

Die rheinland-pfälzische Staatskanzlei erklärte hierzu: „Die Diskussion um ein UKW-Abschaltdatum wird aktuell von niemandem wirklich geführt. Wir wollen DABplus nicht mit der Brechstange durchsetzen.“ Auch das Deutschlandradio hält ein bundesweit einheitliches UKW-Abschaltdatum für unwahrscheinlich. Es dürfte vielmehr regional nach Bundesländern vorgegangen werden, weil die Ausbaugeschwindigkeit in Sachen DABplus unterschiedlich sei.

Vaunet erwarte, „dass die drei Übertragungswege UKW, IP, DABplus mit veränderten Gewichtungen noch sehr lange parallel existieren werden“, erklärte Marco Maier: „Hinzu kommen werden weitere Übertragungswege, die auch für das Radio vielversprechend sind, zum Beispiel die mobile Verbreitung über 5G-Broadcast oder dessen Nachfolgetechnologie. Deshalb ist es der richtige Ansatz, dass die weitere Entwicklung des Hörfunks technologieneutral erfolgt.“

In der Schweiz, die nach einer Entscheidung aller Beteiligten Ende 2024 die UKW-Verbreitung beenden und dann nur noch auf Digitalradio und IP setzen wollte, steht das UKW-Abschaltdatum inzwischen wieder infrage. Die Bedeutung von UKW ist für die Radios offenbar noch zu groß. Die Rede ist inzwischen von einer mehrjährigen Fade-out-Phase, in der die Sender selbst entscheiden sollen, wann sie auf UKW verzichten.

Die Kosten im Blick

In Deutschland wird sich zeigen, wie sich die Finanzkommission KEF zur Entwicklung des Digitalradios verhalten wird. Dabei könnte auch eine Rolle spielen, dass in der Kommission seit Beginn der neuen Amtsperiode Anfang 2022 acht neue Mitglieder vertreten sind. Dabei hat auch der für das Digitalradio zuständige Berichterstatter gewechselt. Auf Nachfrage hob die Kommission hervor, dass die Nutzung der IP-Verbreitung von Audioprogrammen rapide wachse. Hier sei der Markterfolg von Spotify zu nennen. Auch setzten zahlreiche PKW-Hersteller auf „Connected Cars“ und würden Audio-Inhalte via Streaming nutzen.

Die KEF verweist darauf, dass die Mobilfunknetzbetreiber ihre Netze gemäß den Vorgaben der Bundesnetzagentur ausbauen, um bis Ende 2024 eine flächendeckende Versorgung mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu erreichen. Ein Audiostream benötigt nach Angaben der Kommission etwa 2,5 Prozent dieser Kapazität.

Die KEF hat naturgemäß auch die Kosten im Blick, die derzeit beispielsweise beim Deutschlandradio für das Live-Streaming der drei Programme anfallen. Es seien, so die Finanzkommission, „pro Jahr und Programm etwa 100.000 Euro“, für drei Programme zusammen jährlich also rund 300.000 Euro. In der aktuellen Beitragsperiode hat die KEF dem Deutschlandadio für die Programmverbreitung über UKW und DABplus pro Jahr im Schnitt 30,5 Millionen Euro bewilligt. Nicht ausgeschlossen, dass die Kommission in der näheren Zukunft genauer unter die Lupe nimmt, wie hoch die Kosten für die terrestrische Verbreitung beim Deutschlandradio und der ARD sind und wie sich das Digitalradio bisher entwickelt hat.

Aus epd medien 19/23 vom 12. Mai 2023

Volker Nünning