epd Die Satiriker Oliver Kalkofe und Oliver Welke haben einen gemeinsamen Podcast gestartet. „Kalk & Welk“ vom RBB entsteht in Zusammenarbeit mit Radioeins vom RBB, jeden Montag erscheint in der ARD-Audiothek eine neue Ausgabe. Kalkofe und Welke machten von 1990 bis 1997 das „Frühstyxradio“ beim Privatsender Radio FFN. Kalkofe war ab 1994 in der TV-Sendung „Kalkofes Mattscheibe“ zu sehen, zunächst bei Premiere, später bei Tele 5. Welke moderiert seit 2009 die „Heute-Show“ im ZDF, für die er auch als Autor tätig ist. Diemut Roether sprach mit beiden über die Renaissance des Wortradios, Kreativität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Unterschied zwischen intelligentem und doofem Humor.
epd Ihr Podcast „Kalk & Welk“ ist am Montag gestartet. Kürzlich habe ich gelernt, dass solche Audioprojekte jetzt auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk „gepitcht“ werden müssen. Wie haben Sie den Podcast gepitcht? Als Satirepodcast oder als Laberpodcast?
Oliver Welke: Ich habe überhaupt nicht gepitcht. Hast du gepitcht, Olli?
Oliver Kalkofe: Ich war der Pitcher. Ich habe nur unsere Namen genannt. Das hat gereicht. Das wird echt geil, habe ich gesagt.
Welke: So ein Konzept hatten wir noch nie. Du bist einfach ein Verkäufer!
Kalkofe: Das ist durch Radioeins vom RBB angeleiert worden. Es hieß, die ARD-Audiothek soll gestärkt werden und braucht neue Formate. Es gab einen Pitch, wir haben was eingereicht und das hat, wie es scheint, gefallen. Und jetzt sind wir da.
Haben Sie das als Satirepodcast deklariert?
Kalkofe: Sowohl als auch. Sowohl Satire wie auch Gespräch, was man heute Laberpodcast nennt. Ich spreche lieber von geschliffenen Dialogen, mit dem verbalen Florett gefochten, mit interessanten Debatten für die ganze Familie. Wir haben ja nicht so viele Möglichkeiten. Wir haben über einen Schweigepodcast nachgedacht und Olli hatte vorgeschlagen ...
Welke: ... einen Pantomimepodcast ...
Kalkofe: Genau. Da kann man noch viel experimentieren, aber wir fangen mal mit Labern an und gucken, wo es uns hinführt.
Und wer ist die Zielgruppe?
Kalkofe: Jeder Mensch. Und jedes Tier.
Wollen Sie, Herr Welke, Ihren Söhnen mit dem Podcast beweisen, dass Sie doch cool sind?
Welke: Ich weiß nicht, ob da ein Podcast zum jetzigen Zeitpunkt die richtige Idee ist. Das ist ein bisschen, als würde man sich jetzt noch bei Facebook anmelden. Herr Kalkofe und ich gehören zu der Handvoll lebenden Deutschen, die noch keinen Podcast haben. Meine Eltern hören Podcast.
Kalkofe: Du willst Deinen Eltern beweisen, dass du cool bist.
Welke: Ich will meinen Eltern beweisen, dass ich so cool bin wie sie. Das ist der Plan. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass Podcasts im Vergleich mit linearem Fernsehen selbst in der Zielgruppe meiner Söhne - die sind 23 und 19 - angesagter sind. Meine Söhne würden nie sagen, dass ich cool bin, aber damit komme ich dem zumindest näher.
Kalkofe: Die Zielgruppe sind die Menschen, die uns hören wollen und daran Spaß haben. Wenn jetzt Leute kommen und sagen, Podcasts hören vor allem junge Leute, seid ihr nicht zu alt dafür? Das ist Quatsch. Das hören Menschen, die auf einen gewissen Humor oder eine gewisse Art von Gespräch stehen. Und wenn wir jetzt so tun würden, als wären wir 20, wäre das bitter. Ich glaube, es gibt in allen Altersgruppen Menschen, die das hören wollen.
Welke: Ironischerweise knüpfen wir mit der Podcastarbeit an das an, was wir vor 30 Jahren gemacht haben beim Radio ..
Beim „Frühstyxradio“, beim Privatsender Radio FFN.
Welke: Da haben wir zusammen moderiert, das war kurz vor dem Formatradio, da durften wir uns noch länger ausmären und dann kamen die Berater und sagten, ab Minute 30 verliert man angeblich Hörer, das wollen die Leute nicht, und man muss zehnmal die Stunde den idiotischen Senderclaim wiederholen über irgendwelche Superhits ... Das war der Zeitpunkt, als wir beide uns vom Radio entliebt haben, obwohl wir eigentlich total fürs Radio geboren sind, auch optisch. Damals hätte man nie gedacht, dass das geschmähte Wort noch einmal so einen Triumphzug haben würde. Das ist eine tolle Entwicklung. Dass wir jetzt, wenn auch zu spät, auf diesen Zug aufspringen, machen wir auch aus egoistischen Motiven, wir haben da Lust drauf.
Kalkofe: Der Podcast ist ja keine ganz neue Erfindung, früher hieß das Radio. Da wurde in ganzen Sätzen ohne strenge Zeitbegrenzung gesprochen und diese Theorie, dass nach 90 Sekunden beim Hörer das menschliche Gehirn verdampft, was das Formatradio uns eintrichtern wollte, ist ja Blödsinn. Aber da das Wort und der Inhalt mehr oder weniger aus den meisten Radiosendern verschwunden sind, sind die Menschen jetzt dankbar und saugen das im Podcast auf. Das ist ähnlich wie die Entwicklung bei Streamingdiensten, die so erfolgreich sind, weil die Fernsehsender immer behauptet haben: Nein, fiktionale Unterhaltung, Serien, komplexe Geschichten aus anderen Welten, das versteht keiner, das will keiner haben. Dann hat man gesehen: Doch, die Menschen wollen es, die sind gar nicht so blöd, wie wir immer behauptet haben, die sind sehr viel intelligenter.
Welke: Jetzt setzt du dich aber selber unter Druck, weil alle erwarten, dass du einen intelligenten und komplexen Podcast machst.
Kalkofe: Das habe ich nie behauptet. Davon möchte ich mich in aller Form distanzieren.
In der Tat, das gute alte Wortradio ist wieder attraktiv. Wie entsteht denn Ihr Podcast? Schalten Sie sich zusammen und reden spontan?
Welke: Es gibt eine Redaktionskonferenz, wahrscheinlich am Donnerstag vorher. Ich bin ja unter der Woche sehr eingespannt als Autor der „Heute-Show“. Wir haben zwei sehr nette Redakteurinnen von Radioeins, die für uns unter der Woche recherchieren und O-Töne schneiden, die wir einspielen können. Mit denen legen wir donnerstags das Thema fest. Wir haben den Vorsatz, wir wollen ein wochenaktuelles Thema als roten Faden durchziehen.
Was können das für Themen sein?
Welke: Mich amüsiert die Verve, mit der man sich auf die AKW-Verlängerung-Debatte stürzt. Man kann die Angst des Mittelstands verstehen, aber wenn man sich genau anguckt, um wie viel die zwei AKWs die Preise drücken würden oder möglicherweise Blackouts verhindern, ist das eine totale Alibidebatte. Wir müssten über ganz andere Sachen reden, aber wir lieben diese einfachen emotionalen Debatten. Länger laufen lassen oder nicht, so wird das immer verkürzt. Auch der Absturz von Robert Habeck in der Gunst der Leute ist natürlich ein sehr interessantes Thema, weil es zeigt, wie eine Mediendemokratie funktioniert: Leute auf- und wieder abbauen. Das sind die Aktualitäten aus den letzten Tagen.
Kalkofe: Die sich vielleicht auch noch eine Weile halten.
Welke: Das ist tatsächlich eine sehr schnelllebige Zeit. Es kann auch sein, dass wir nächste Woche schon wieder über etwas anderes sprechen.
Kalkofe: Aber es ist spannend, es sind diese zwei Themen, die die ganze Woche über allem hängen und wenn man sich dann Lanz, Maischberger, Illner et cetera anguckt, hat man das Gefühl, es gibt kein anderes Thema.
Gucken Sie das alles?
Kalkofe: Ich gucke viel davon. Ich schreibe ja auch darüber. Ich gucke so viel, wie ich kann.
Welke: Wir haben bei der „Heuteshow“ einen „Sichtapparat“, das sind vier Studenten, die alles gucken müssen, was im weitesten Sinn mit Politik zu tun hat. Die werden in einem lichtlosen Raum angekettet und müssen sichten. Aber ich gucke tatsächlich die großen Talkshows selber abends, wirklich nur durch die Brille der Verwertbarkeit für die Sendung. Es macht keinen Spaß, mit mir Fernsehen zu gucken.
Es macht wahrscheinlich auch keinen Spaß, das alles zu gucken.
Welke: Oft nicht.
Kalkofe: Einfach entspannt fernsehen, wie man es aus der Kindheit noch kennt, das ist schon lange vorbei. Dafür gibt es auch viel zu wenig Anlass. Ich suche mir die Inhalte aus und gucke den Rest zum größten Teil aus professioneller Sicht.
Wir haben zurzeit ein großes Medienthema: Ihr Podcast entsteht beim RBB, der RBB ist in der Krise und diese Krise hat den ganzen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ergriffen oder sie wird genutzt, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzugreifen. Könnte das auch ein Thema für Ihren Podcast sein oder ist das tabu?
Welke: Das ist nicht ausgeschlossen. Ich glaube, das kam sogar schon aus der Redaktion, was mich verblüfft hat. Es wurde angeregt, Herr Kalkofe könnte neuer Intendant werden, weil er bereits einen Massagesessel besitzt.
Kalkofe: Ich habe mich als Programmdirektor ins Gespräch gebracht. Ich könnte meinen privaten Massagesessel mitbringen. Damit bin ich skandalfrei.
Welke: Allerdings bräuchtest du auch einen Fahrer, weil du definitiv nicht Autofahren kannst.
Kalkofe: Da wird es dann wieder kippelig.
Die anderen Intendanten haben ja auch Fahrer.
Welke: Das ist der Teil der Debatte, der die Aufregung nicht rechtfertigt. Da, wo private Interessen ins Spiel kommen, Ehemänner oder Töchter, wird es haarig. Das muss man ganz klar unterscheiden.
Wird das Ganze von interessierter Seite nicht auch genutzt für einen Frontalangriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Kalkofe: Das ist sehr gefährlich, wenn das als Generaldebatte genutzt wird, um von falscher Seite den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auszuhebeln, weil er stört und weil man ihn gerne los wäre. Es wäre fatal, wenn diese Affäre den Anlass dazu geben würde. Was ich allerdings viel wichtiger fände als einzelne Korruptionsvorwürfe, die mit Sicherheit auch bei anderen Anstalten und überall passieren, wäre, das System, das dahintersteht, zu überdenken. Das System der Öffentlich-Rechtlichen sollte sehr wohl und seit langem modernisiert und verändert werden, denn es ist vor allem dazu da, das eigene System zu bewahren. Da ist so viel Verwaltung, da sind so viele Gremien, da wird kreatives Denken verhindert und tolles Fernsehen und tolles Radio, das gemacht werden könnte. Man steht sich so sehr im Weg, obwohl man so viele Möglichkeiten hätte.
Welke: Selbst Privatsender sagen inzwischen, dass sie nur noch die Menschen 50 plus erreichen wollen. Selbst die haben jüngere Zuschauer schon aufgegeben, und ich möchte, dass man eher versucht, auch die Zielgruppe meiner Söhne zurückzuholen. Aber man muss aufpassen, dass man in der Debatte nicht alles vermischt. Da draußen warten Leute schon sehr lange auf so eine Generalabrechnung. Da wird nicht mehr differenziert, was haben der Massagesessel oder die begrünte Wand mit dem Vorwurf zu tun, die Öffentlich-Rechtlichen wären zu links oder zu grün. Das wird alles in einem Topf verrührt, nur bringt uns die Generalattacke, die nicht mehr sachlich geführt wird, keinen Millimeter weiter. Die wirklich spannenden Fragen sind: Was ist mit den Kontrollgremien, wie müssten die besetzt sein, um tatsächlich eine Kontrollfunktion auszuüben? Der Gedanke, dass da gesellschaftlich relevante Gruppen sitzen, ist gut gemeint, da wurde nie die Kompetenzfrage gestellt: Sind die überhaupt kompetent, eine Senderführung zu kontrollieren? Welche Synergieeffekte kann das Öffentlich-Rechtliche nutzen, um zu sparen, und zwar nicht immer nur beim Programm, sondern was die Strukturen, die Verwaltung angeht? Diese Debatten sind spannend, und das Öffentlich-Rechtliche muss die Kraft haben, diese Debatte selber zu führen, nicht nur intern, sonst führen andere die Debatte für uns. Aber es ist in diesem Klima schwierig, weil man merkt, dass viele nur auf die Gelegenheit der Generalabrechnung gewartet haben.
Kalkofe: Es muss überlegt werden, wie kann man das System so verändern, dass das Programm und der Inhalt im Vordergrund stehen und nicht Gremien, die andere Gremien überwachen. Jeder, der mal versucht hat, mit Öffentlich-Rechtlichen zu arbeiten, merkt, wie schwierig das ist, wie sehr dort Kreativität leider eher verhindert wird.
Welke: Da habe ich ehrlich gesagt andere Erfahrungen gemacht.
Kalkofe: Ich sage nicht, dass es nicht hervorragende Inhalte bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt und dass da nicht viel sehr Gutes entsteht, aber ich finde, bei der Menge an Sendern und an Sendezeit, an Geld und Möglichkeiten, ist es zu wenig. Es müsste mehr Kreativität geben, die Öffentlich-Rechtlichen müssten neue Ideen bringen, neue Impulse setzen. Wenn man auf die letzten 30, 40 Jahre guckt, kamen alle Dinge, die neu waren - egal ob gut oder schlecht - von den Privaten. Die Öffentlich-Rechtlichen sind hauptsächlich auf Nummer sicher gegangen. Das ist falsch. Die Öffentlich-Rechtlichen müssten wieder so geil werden, wie sie sein könnten, und aufhören, sich immer im Weg zu stehen.
Mir fällt auf, dass immer wieder von einer „Kultur der Angst“ in den Sendern die Rede ist.
Welke: Das kann ich nicht bestätigen.
Kalkofe: Aber die, die mit dir arbeiten, würden das schon sagen ...
Welke: Aber ich arbeite für eine Produktion, die von einer Produktionsfirma gemacht und beim ZDF ausgestrahlt wird. Damit will ich nicht sagen, dass das beim NDR nicht so ist, wenn das von den Kolleginnen und Kollegen berichtet wird.
Kalkofe: Du hast das große Glück, noch auf einer der wenigen kreativ arbeitenden Inseln zu arbeiten: „Heute-Show“, „Extra 3“, „Die Anstalt“, da wird noch kritisch und kreativ gearbeitet.
Welke: Und der Sender stellt sich dahinter, wenn es mal Ärger gibt.
Kalkofe: Ich rede auch nicht von tollen Dokumentationen oder guten Nachrichtensendungen, aber wenn man sich das Tagesprogramm anguckt, das zu einem Großteil aus Quiz, Krimis, Schmunzelkrimis, Familienserien und Kaffee- oder Frühstückssendungen besteht - da ist mehr drin.
Kann nur Satire noch kreativ sein?
Welke: Nein, das glaube ich nicht. Es gibt ja auch Cross-Over-Projekte, die Kollegen von „Frontal“ schieben was an und realisieren das mit Böhmermanns Leuten. Ich glaube, dass der Journalismus und die Satire sich in den letzten Jahren sehr befruchtet haben, es gibt Recherchekooperationen, weil die mehr Man- und Frauenpower haben als wir. Ich glaube, dass man da voneinander profitiert. Es gibt aber auch im Showbereich Momente wie „Wer stiehlt mir die Show?“ mit Joko Winterscheidt, wo man merkt, das ist mit Liebe gemacht von Leuten, die das Medium mögen, und man wird auch als Zuschauer nicht für dumm verkauft.
Kalkofe: Das ist aber wiederum bei den Privaten und solche Sendungen würde ich mir wünschen bei den Öffentlich-Rechtlichen. Bei den Öffentlich-Rechtlichen kommt leider ein Quizformat nach dem anderen. Das ist traurig. Satire ist eine der wenigen Inseln, die noch frei kreativ sein können. Davon sollte es sehr viel mehr geben. Diese Kreativität müssen die Öffentlich-Rechtlichen wagen. Nicht Angst haben, sondern etwas Neues probieren.
Welke: Aber eine kluge neue Showentwicklung ist gar nicht so einfach, wie man denkt. Es werden im Showbereich Sachen versucht, aber auch die Privaten setzen auf die Retrowelle und bringen eine Showidee aus den 90ern nach der anderen wieder heraus. Britt kommt zurück ...
Kalkofe: Barbara Salesch kommt zurück ...
Welke: Die „100.000-Mark-Show“ kommt zurück, „TV Total“ ist zurück. Deiner Theorie, dass die Privaten die großen Kreativschmiede sind, würde ich doch widersprechen wollen.
Kalkofe: Allerdings wiederholen sie ihre eigenen alten Formate aus den 90ern. Bei den Öffentlich-Rechtlichen enden die Beispiele für Kreativität meist mit „Wetten dass?!“ - und das war 1981. Danach kam leider nur noch viel zu wenig.
Das bringt mich auf ein weiteres Thema, das Sie auch abdecken wollen mit dem Podcast: Nostalgie, das Beste aus den 80ern und 90ern. Was wollen Sie da machen?
Welke: Da sind wir im Fake-News-Bereich unterwegs. Der Podcast heißt ja auch „Die fabelhaften Boomer-Boys“ - weder sind wir Boys noch sind wir Boomer. Boomer gehen nur bis 1964, er ist 65 geboren, ich 66.*
Kalkofe: Wir sind Afterboomer.
Welke: In jedem Fall noch geburtenstark und jeder zweite hieß Oliver. Man schreibt halt Pressemitteilungen und hat einen lustigen Titel ... Gelegentlich wird sich unser über Jahre erarbeitetes Nerdwissen in dem Podcast Bahn brechen und wir werden über das reden, was unser privates Umfeld schon lange nicht mehr hören will, über Serien und Fernsehen. Aber das wird nicht das Hauptthema sein. Die Boomer-Brille lässt sich nie ganz absetzen, wir sind alle Kinder unserer Zeit, aber das wird keine Nostalgieshow, wo wir aus alten „Hörzu“-Ausgaben vorlesen oder behaupten, früher war alles besser.
Herr Welke, Sie haben einmal gesagt, dass Sie froh sind, dass Sie nur einmal in der Woche eine Sendung präsentieren, über die Sie fünf Tage lang nachdenken konnten. Jetzt kommt der Podcast dazu. Reicht die eine Sendung nicht mehr?
Welke: Damals wurde ich gefragt, warum ich nicht bei Twitter bin. Da habe ich gesagt, dass das gefährlich wäre, weil ich aus dem Impuls wahrscheinlich auch mal Sachen twittern würde, die mir schon Stunden später leidtun oder bei denen ich denke, jetzt hat sich die Nachrichtenlage weitergedreht, warum war ich so eitel zu glauben, dass die Welt sofort wissen muss, wie ich zu dem Thema stehe. Es ist eine extrem schwierige Nachrichtenlage für jede Art von Satire. Da tut es einem gut, sich mit Sachen ein bisschen länger zu beschäftigen, bevor man so eine klassische Twittermeinung raushaut. Für mich ist das einfach nicht das Medium. Die Berichterstattung über das, was in der Twitterblase passiert, ist ein eigenes Genre geworden und wird total überschätzt. Ich will nicht Teil dieser Bubble sein. Mit Blick auf die „Heute-Show“ finde ich es gut, dass wir mit einer Gruppe von Journalisten und Comedyautoren ein paar Tage nachdenken. Jetzt kommt das Kontrastprogramm: Wir werden sonntags am frühen Nachmittag aufzeichnen, das ist für mich ein bisschen wie Urlaub, weil es ungeskriptet ist. Das birgt das Risiko, dass ich was sage, das ein Echo auslöst, das ich nicht möchte, aber es ist schön, mal wieder was Improvisiertes mit freier Rede zu machen. Darauf freue ich mich.
Satire ist in den vergangenen Jahren sehr politisch geworden. Satireformate wie die „Heute-Show“ gelten als Einstiegsformate, die junge Leute an politische Themen heranführen. Bezwecken Sie das auch mit dem Podcast?
Kalkofe: Wir versuchen mit dem Podcast nicht in erster Linie zur politischen Bildung beizutragen, aber alles, was mit Satire und Humor zu tun hat, ist auch eine Einladung zum Mitdenken. Gerade jüngeren Menschen dabei zu helfen, über gewisse Sachen nachzudenken und sie zu verstehen, ist toll. Uns wurde früher immer gesagt, das Wichtigste ist die Schulbildung und alles andere lernen wir aus der Zeitung, aber einen ganz großen Teil dessen, was ich im Leben erfahren habe, habe ich durch Filme, Serien, Fernsehen und Sekundärmedien erfahren.
Der Humor ist heute sehr hilfreich, um komplexe Zusammenhänge in der Politik zu verstehen. Wenn einfach nur Sätze der Politiker reproduziert werden, hilft einem das nicht unbedingt, den Sachverhalt zu verstehen. Somit hat der Humor inzwischen eine pädagogische Aufgabe, die er gar nicht haben will.
Welke: Pädagogik finde ich fast ein bisschen zu viel gesagt, weil man da in eine Art Lehrerrolle kommt. Wir sind in erster Linie Unterhalter. Ich kann aus der Erfahrung sagen: Die beste Resonanz von den Zuschauern kriegen wir, wenn wir einem Aspekt eines Themas, den nicht jeder auf dem Zettel hat, ein Forum geben. Zum Beispiel haben wir vor der Sommerpause in der „Heute-Show“ nacherzählt, wie sowohl die Windenergiebranche als auch die Solarbranche, die in Deutschland mal führend war, durch aktive Politik kaputt gemacht wurden. Durch Entscheidungen, die aktiv getroffen wurden, hat man dafür gesorgt, dass wir jetzt bei Solarenergie und Solarpanels zu 80 Prozent von China abhängig sind. Wenn China jetzt in Taiwan einmarschieren sollte, dann war es das für die deutsche Energiewende.
Wenn man nacherzählt, wie idiotisch das war, kriegt man die besten Reaktionen, weil man einen Mehrwert liefert und Sachen vertieft, die nicht jeder mitgekriegt hat. Aber das muss mit einer gewissen Leichtigkeit laufen. Wir können nicht einfach sagen, wir sind jetzt wie „Monitor“ und „Panorama“ und machen Aufklärung. Wir wollen eine gewisse Pointendichte und eine gewisse Leichtigkeit behalten. Die anderen sind echte Journalisten und wir sind Zweitverwerter von echter journalistischer Arbeit.
Kalkofe: Ich habe mich immer gewundert, dass das in Deutschland so stark getrennt wird. Wie oft habe ich bei der „Mattscheibe“ gehört: Willst du jetzt lustig sein oder ist das kritisch? Ist das eine Fernsehkritik oder ist das Spaß? Dass man beides sein kann, dass man lachen und gleichzeitig denken darf, sind wir nicht gewohnt. Es gab früher die „Blödelbarden“ und die „Ulknudeln“, wie man das nannte, und es gab immer den „Spaß“ zum Mitklatschen, aber bloß nicht denken! Das andere war politisches Kabarett, das wurde streng getrennt. Indem man über etwas lacht, versteht man Dinge. Das ist ein beiläufiger Effekt.
Welke: Man muss versuchen, auf hohem Niveau albern zu sein.
Haben Sie das Gefühl, dass junge Leute noch über die gleichen Witze lachen wie Sie?
Welke: Die „Heute-Show“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass es noch einen generationenübergreifenden Humor gibt. Wir hatten letzten Freitag knapp 18 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum und 18 Komma irgendwas bei den 14- bis 49-Jährigen. Man sagt das immer so leicht ironisch mit dem Lagerfeuerfernsehen, wo die Generationen zusammensitzen, aber das geht. Ich glaube, es gibt gute und schlechte Gags, es gibt kluge und platte Gags und wahrscheinlich gibt es aus Sicht der Generation meiner Söhne auch so etwas wie einen Boomer-Humor oder - das gemeine Branding - dad jokes. Aber am Ende erwischt man sie auch dabei, wie sie über die angeblichen Boomer-Gags lachen, also so schlecht können sie nicht sein.
Kalkofe: Es gibt einen aktuellen Humor, es gibt einen Humor, der zu einer bestimmten Zeit passt und es gibt auch zeitlosen Humor. Wenn wir uns Filme und Comedysendungen aus den 70er oder 80er Jahren anschauen, merkt man, es hat eine bestimmte zeitliche Färbung, und trotzdem findet man Dinge, die sind immer noch lustig, und es gibt Dinge, die waren vielleicht auch damals nicht lustig.
Welke: Ich kann nur empfehlen, das, was man früher geguckt hat, mal zusammen mit einem 17-Jährigen zu gucken. Dann merkt man, dass sie dich bei „Klimbim“ angucken wie einen Außerirdischen, wenn du sagst, das war damals eine Riesennummer.
Kalkofe: Zu Recht! Das war auch damals nicht wirklich lustig.
Welke: Aber das dachten wir! Wir hatten ja nichts. Aber wenn du mit einem noch so coolen 17-Jährigen „Das Leben des Brian“ guckst, wird der immer noch genauso lachen wie wir damals. Das meine ich mit intelligentem und doofem Humor. Der Unterschied ist vielleicht, dass die jungen Leute heute so cool sind, dass sie nicht zugeben wollen, dass sie über bestimmte Sachen lachen.
Aus epd medien 38/22 vom 23. September 2022